: Vorwürfe gegen Regierungschef Rao
■ Der indische Geschäftsmann Jain verteilte Millionen Dollar an alle großen Parteien. Kommunisten: Wahlen vorziehen!
Neu-Delhi (AFP/dpa) – In Indien hat die Opposition den Rücktritt des wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck geratenen Premierministers Narasimha Rao gefordert. Die Kommunistische Partei (CPI) forderte am Samstag in Neu-Delhi vorgezogene Neuwahlen. Auch die größte Oppositionspartei, die radikal-nationalistische Hindu-Partei BJP, erneuerte ihre Rücktrittsaufforderung an Rao.
Ein Gericht in Neu-Delhi hatte am Freitag Ermittlungen über die mutmaßliche Bestechung von Parlamentariern durch Rao eingeleitet. Der Regierungschef soll 1993 mehrere Oppositionsabgeordnete gekauft haben, damit sie bei einem Mißtrauensantrag der Opposition für seine Kongreß-Partei stimmten. Damals hatte sich Raos Regierung mit 265 zu 251 Stimmen nur knapp behaupten können.
Nach Angaben von Oppositionsparteien soll Rao rund 3,5 Millionen Dollar (5,2 Millionen Mark) an Bestechungsgeldern von dem indischen Geschäftsmann Surendra Jain erhalten haben. Mit den Vorwürfen hatte der seit Wochen schwelende Korruptionsskandal, in dessen Verlauf bislang sieben Minister zurücktraten, einen neuen Höhepunkt erreicht.
Jain selbst gab gegenüber der zuständigen Untersuchungsbehörde, dem Central Bureau of Investigation (CBI) zu Protokoll, er habe der Zahlung von 30 Millionen Rupien (einer Million Mark) zugestimmt, um damit Oppositionsabgeordnete zugunsten der Kongreß- Partei zu kaufen. Das meiste Geld habe aus dem Ausland gestammt.
Sprecher der Kongreß-Partei bestritten jegliche Beteiligung Raos an den Schmiergeldzahlungen. Dieser habe weder Geld erhalten noch gezahlt. Jain erklärte, bei früheren Gelegenheiten habe auch der 1991 ermordete Exministerpräsident Rajiv Ghandhi auf seiner Gehaltsliste gestanden. Hintergrund des Skandals sind Enthüllungen des CBI über Verbindungen Jains zu mehr als hundert Politikern und hohen Beamten. Zwischen 1988 und 1991 sollen diese Schmiergelder von mindestens 20 Millionen Dollar (rund 30 Millionen Mark) erhalten haben – als Gegenleistungen für zahlreiche staatliche Zuwendungen und Gefälligkeiten. Das CBI stellte verschlüsselte Tagebücher sicher, in denen die Schmiergeldempfänger Jains aufgelistet sind. Ob Raos Name in den Tagebüchern auftaucht, konnte das CBI bislang nicht mitteilen.
Mehrere Wochen vor den Parlamentswahlen im April hat der Skandal die politische Glaubwürdigkeit der Kongreß-Partei ebenso wie die der zwei größten Oppositionsparteien, der Nationalen Front (Janata Dal) und der radikal hinduistischen Bharatiya Janata Partei (BJP) aufs neue erschüttert.
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