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■ Vorschlag„Thank you, Satan“. Daniel Samar nähert sich mit Kleinkunst dem Tod

Welches Verhältnis mag einer zum Satan haben, wenn er ihn französisch ausspricht? Ein sinnliches, eins, das – ganz französische Küche – durch den Magen geht? Verspricht ein solchermaßen ausgesprochener Teufel eine lebensfrohere Hölle? „Man kann einen Fahrstuhl hinauf- oder hinunterfahren. Wir fahren hinunter“, sagt der Sänger Daniel Samar im Unart – gerade so, als wolle er sich das infernalische Szenario mal eben ansehen, um dann ein Chanson nach dem anderen über das zu singen, wofür man heute mit dem Tode bezahlt. Drogen, Alkohol, Nikotin und Sex. Er kämpft sich in Cover-Versionen durch die weniger bekannten Chansons von Brecht, Brel, Weill, Piaf und anderen, verfängt sich in Wiederholungen und brilliert in den wenigen Augenblicken, in denen er nicht an klischeehaften Manierismen vermeintlich schwuler Ästhetik festhält.

Daniel Samar versucht sich in seiner Show dem Tod zu nähern. Dies gelingt ihm mit zitternder Stimme, unsicher, gekünstelt, nicht frei. Wer aber wäre das schon angesichts eines Endes, das niemand mehr an sich herankommen lassen will. Er ist ein mißverstandener Orpheus in einer Zeit, in der das Sterben mit aller Macht geleugnet wird, außer vielleicht von denen, die sich beim Lesen von Nachrufen dabei ertappen, wie sie dem Rätsel des Vergänglichen zu spät auf die Spur zu kommen suchen.

Es sind immer die, die jung sterben, die den Tod in die Gegenwart holen. Aber – und das irritiert am meisten – obwohl Daniel Samar in seiner Show „Thank you, Satan“ die allgegenwärtige Realität von Aids nicht leugnen will, scheinen Tod und Tabu dabei auch untrennbar verbunden. Zuviel wird zu großartig gesagt, wo doch die kleine Geste entschieden stärker trifft.

Gott sei Dank wird der Sänger von einer androgynen Bauchtänzerin, die selbst dem Schuhplattler etwas Exotisches abzuringen vermag, sowie dem feinfühligen Pianisten Harry S. Lyth und dem Schauspieler Volker Reubold unterstützt. Dessen Totenmaske dient bereits unbemerkt als Wandschmuck. Er, der unter Neuenfels und Hübner gespielt hat, rezitiert mit großer Schlichtheit Gedichte, die eindringlich nach dem Leben suchen.

Nicht die persönliche Ich-du-Beziehung zum Leibhaftigen, die vordergründig herausgeschrien wird, macht die ganze Show authentisch, sondern eine unausgesprochene und echte Zuneigung, die sich die Akteure entgegenbringen. Sie unterstützen sich, achten aufeinander, fangen sich gegenseitig auf. Volker Reubold spricht es aus: „Eine größere Kraft als die Liebe gibt es nicht. Erst dadurch lebe ich weiter.“ Waltraud Schwab

Daniel Samar: „Thank you, Satan.“ 14. und 15. 6., 23.30, 26.-30. Juni, 21.30, Unart, Oranienstraße 163, Tel. 6142070

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