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■ VorschlagU.a. 205 Beatles-Songs: „Jacqueline Kroll“ in den Wühlmäusen

„Wenn ich vergnügt bin, muß ich singen: Eene meene ming mang, kling klang, acker wacker eia weia weg.“ Glockenheller Jubel erfüllt die Stimmen der fünf befrackten Herren. Dabei sehen sie aber gar nicht glücklich aus, sondern blicken scheu hinab auf ihre makellosen Schuhspitzen. Beifall nehmen sie mit unbewegter Miene hin. Dann tritt der zweite Tenor Danilo Kardel zum Flügel, lehnt sich steif an das Instrument – nur in dieser Position kann er sich öffentlich äußern – und erklärt: „Meine Damen und Herren, wir kommen zum nächsten Beitrag.“

In einem lauten und mätzchenreichen Geschäft kultiviert das deutsch-schweizerische Männerquintett „Jacqueline Kroll“ verklemmte Nüchternheit. Man kann es auch Eitelkeit nennen: Die fünf Herren können es sich leisten, nur ihren Gesang für sich sprechen zu lassen. Wie die Comedian Harmonists imitieren sie verschiedene Instrumente, zum Beispiel in der grandiosen A-cappella-Version des Jazzklassikers „Chattanooga Choo Choo“. Mit Werktreue haben die Musiker nichts im Sinn, sie singen nur eigene, höchst originelle Arrangements. Fast unmerklich entsteht aus dem düster hingeknarzten „Wand'ring Star“ der „Rosarote Panther“, der ebenso überraschend in „I Wonna Be Loved by You“ mündet. Im Schnelldurchlauf präsentiert „Jacqueline Kroll“ sämtliche 205 Lieder der Beatles – „einer englischen Popgruppe, die vielleicht einigen von Ihnen bekannt ist“. Das Meisterstück dieser kunstvollen Kompressionstechnik ist eine vierminütige Version der „Zauberflöte“, die keine der großen Arien ausläßt, auch nicht die Koloraturen der Königin der Nacht! „Kein anderer Weg zur Zauberflöte“ ist denn auch der Titel des Programms.

Ihrem hölzernen Stil bleiben die Sänger stets treu. Trotzdem entwickeln sie kleine Marotten, über die das Publikum vor Lachen brüllt, eben weil sie nur ganz zart angedeutet werden. Dieter Schweigel (Bariton) spricht gern über die Knötchen auf seinen Stimmbändern, Rainer Piwek erzählt langatmig und herrlich pointenlos von einer Begegnung mit dem Kanzler. Ein einziges Mal benutzen die Herren ihre Ellenbogen: Jeder will im Rampenlicht stehen und eine berühmte Arie schmettern. Leider geht auch dieser Abend einmal zu Ende, und zwar mit dem saccharinsüßen Lied „Besame mucho“. Die Sänger mühen sich bis zuletzt um die Bildung ihrer Zuhörer: „Das Lied ist in a-b-a-Strich-Weise komponiert. Achten Sie besonders auf den Mittelteil!“ Miriam Hoffmeyer

„Kein anderer Weg zur Zauberflöte“, bis 15.8., Di.-So., 20 Uhr, Wühlmäuse, Nürnberger Straße 33, Wilmersdorf

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