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■ VorschlagJenseits der Rentenversicherung: The Descendents im Trash

Anfang der Achtziger sah Sänger Milo mit seiner Brille ziemlich komisch aus inmitten all der um ihn herum zuckenden und stagedivenden Körper. Auf „Milo goes to College“ spielten die Descendents einen wahnwitzig schnellen, aber auch wahnwitzig melodiösen Punkrock. Dann gab es die Descendents nicht mehr, weil Milo tatsächlich zum College gegangen war. Dann gab es All. Das war zwar irgendwie nicht dasselbe, aber der Rest war doch immerhin noch so gut, daß er mit „She's My Ex“ einen kleinen Hit zustande brachte. Die verblichenen Descendents aber wurden plötzlich als Erfinder des Pop-Punk gefeiert.

Nun hat Milo seinen Labormantel an den Nagel gehängt, eine der Sternstunden der Wissenschaft, wie die Band verlauten läßt, und die Descendents gibt es wieder. Und es passiert eine komische Geschichte: All waren immer auf der Suche nach der Essenz – keine unnötigen Schnörkel. Das klang im Zeitalter der tausendfachen Genre-Diversifikationen dann plötzlich nach Prästeinzeit. Wie Dinosaurier, wie einer dieser gemütlichen Pflanzenfresser mit den ewig langen Hälsen, bei denen die Nervenenden so lang sind, daß Informationen einige Sekunden brauchen, um vom Schwanz bis ins Hirn zu gelangen. Ihre Musik hat sich nun mit Milo am Mikro und unter dem neuen alten Namen nicht groß geändert, und sie mögen überholt sein von einer Geschichte, die sie selbst mit angeschoben haben. Sie mögen stramm auf die Vierzig zugehen, ihre letzte Platte mag etwas altmodisch „Everything Sucks“ heißen, aber zeig mir eine andere Kapelle, die die letzten 15 Jahre so gut überstanden hat, zeig mir eine Reunion, die nicht aus jedem Ton den muffigen Gestank der Rentenversicherung schwitzt. Und Liebeslieder, die konnten sie schon immer schreiben: „When I look in your eyes / I know what I want in life“. Thomas Winkler

31.1., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40-41, Kreuzberg

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