■ Vorschlag: Das Tanztheater der Komischen Oper glänzt im Tanz-Winter
So viel Tanz war nie. Als sei jede Note von Fred Frith' Streichquartett „Violet Wires“ lebendig geworden, flogen die Tänzer der Komischen Oper durch einen Regen von Lichtpunkten über die Bühne des Hebbel- Theaters. Amanda Millers Choreographie „My Father's Vertigo“, 1992 in London uraufgeführt, beginnt wie ein Wettrennen auf parallelen Bahnen und endet mit Anlauf und Schlittern wie auf dem Eis. Duos, Solos, Gruppenbilder wachsen auseinander hervor. Laufend, springend schleudern die Tänzer in die Drehungen und riskieren scheinbar, von der Fliehkraft der weitgestreckten Beine aus der Kurve getragen zu werden. Diese Geschwindigkeit verkehrt das Leistungsprinzip des Balletts in ein leichtes Spiel.
Nach 20 Minuten war alles vorbei. Auch für das zweite Stück des Abends, ebenfalls eine Koproduktion mit dem Hebbel-Theater, hat sich die Compagnie der Komischen Oper einem neuen Choreographen anvertraut. Doch im Gegensatz zu Miller setzte Samuel Wuersten auf Gefühl. Die Episoden seines „Mementos“ forcieren die Stimmung des Zufälligen und Impressionistischen, die Gayle Tufts und Rainer Bielfeldt am Klavier vortragen. Mit einer in tausend Tourneenächten gefundenen Vertrautheit erzählen sie von Gespenstern der Erinnerung, Unsicherheit der Liebe und Angst vor der Einsamkeit. Versehentlich scheinen sie auf dieser weit offenen Bühne gestrandet. Entschlackt von allzu aggressivem Entertainment, bleibt ein etwas angestrengtes Kunstwollen übrig. Die Melancholie verdichtet sich im Abschied einer älteren Tänzerin, der die Ineinssetzung von ewiger Jugend/Tanz so fraglos erscheint, daß sie in deren Gruppenbild keinen Platz mehr für sich findet. Hannelore Bey, tatsächlich ein langjähriger Star der Komischen Oper Berlin, übernimmt diese schattenhafte Rolle der Erinnernden.
Ein wenig sentimental, gewiß. Trotzdem bleibt zu hoffen, daß die Komische Oper beide Stücke nach der Premiere im „Tanz-Winter“ an ihr Haus übernimmt. Katrin Bettina Müller
Bis 2.2., 20 Uhr, Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29
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