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■ VorschlagWeltherrschaft für Sleater-Kinney - im Knaack-Club

#Vorschlag

Weltherrschaft für Sleater-Kinney – im Knaack-Club

Sleater-Kinney, jenes auf den ersten Blick so unscheinbare Trio aus Portland, Oregon, haben mit „Dig Me Out“ eine der besten Rock-Platten dieses Jahres gemacht. Da ist man sich so ziemlich einig allüberall. Ebenso universell ist das Aufatmen, daß der künstlerische wie demnächst wohl folgende finanzielle Erfolg dem Riot- Grrrl-Phänomen die Zähne ziehen wird. So stellte Spin erleichtert fest, daß die Stimme von Sängerin und Gitarristin Corin Tucker „kein politischer Knüppel“ sei, und das Magazin Time konstatiert nicht ohne Wohlwollen, daß „es schade ist, daß die löbliche feministische Einstellung der Band nicht stärker kreativ umgesetzt“ wird.

Addicted To Noise wertet die musikalische Entwicklung der Band als konsequente Orientierung hin zu dem, was die zweite Gitarristin und Sängerin Carrie Brownstein als Einflüsse angibt: „Stones, Beatles und Kinks sind nicht nur eine ziemlich nichtssagende Liste, sondern auch alles Männer.“ Visions, das Zentralorgan des heimischen Rockisten, freut sich, „nichts von Frauenrechtlertum“ entdecken zu müssen. Und selbst die eigene Plattenfirma behauptet, Sleater-Kinney wollten von der Bezeichnung Riot Grrrls „überhaupt gar nichts wissen“. Was natürlich ausgesprochener Unsinn ist, denn Tucker, Brownstein und Trommlerin Janet Weiss sind immer noch eingebunden in das feministische Netzwerk, das im Nordosten der USA um Bands wie Bikini Kill und Team Dresch entstand.

Die drei unterscheidet von ihren direkten Vorgängerinnen vor allem die Tatsache, daß sie Politikmachen nicht vor allem mit dem Ausformulieren dezidiert politischer Aussagen gleichsetzen, sondern von der Privatheit ausgehend Politik passieren lassen. Das führt ganz automatisch zu Texten, die auch außerhalb einer Lesben- Szene verstanden werden können, und die fügen sich mit der Fähigkeit, gute Melodien zu schreiben, zu gutem Pop.

„Ich will die Weltherrschaft für Sleater-Kinney“, hat Brownstein einmal gesagt und das nicht nur lustig gemeint. Sleater-Kinneys Musik wohnt als erster aus dem Riot-Grrl-Bereich ausdrücklich das Einverständnis inne, das selbstgewählte Ghetto auch verlassen zu wollen. Wenn auch nicht um jeden Preis: „Ich will niemals richtig berühmt werden“, sagt Tucker, „man muß sein Leben zu sehr aufgeben.“ Sollten Sleater-Kinney aber noch ein paar solcher Platten wie „Dig Me Out“ machen, dürfte sie der Alternative-Rock-Zirkus bald auch gegen ihren Willen als Hauptattraktion verpflichten. Thomas Winkler

Heute, 21 Uhr, im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

#Nachschlag

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