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VorlaufDer Tanz im "Haus des Satans"

■ "Die Farbe des Goldes", ein Dok-Film über Südafrika, WDR, 20 Uhr

Boipatong. Der Name steht in Südafrika für die tödliche Dreieinigkeit von Wanderarbeitern, Massenlagern und Massakern. In einer Juni- Nacht dieses Jahres wurden dort — in der Nähe von Johannesburg — mehr als 40 Menschen von etwa 200 Männern ermordet. Die Polizei unterließ Hilfeleistungen, der Afrikanische Nationalkongreß brach daraufhin seine Verhandlungen mit der südafrikanischen Regierung ab. Was ist die Ursache der Gewalt, fragt sich fassungslos der Rest der Welt.

Die Antwort heißt, die Apartheid wurde bislang nur auf dem Papier abgeschafft. Das beweist die Kasernierung der schwarzen Arbeitskraft seit über 100 Jahren bis heute. „Hostels“ nennen sich die Lager für Minenarbeiter, in denen sie fast ihr ganzes Leben verbringen. Das Heimatdorf liegt oft mehrere Tagesreisen weit entfernt, für einen Besuch bei der Familie fehlen Zeit und Geld.

Den weißen Regisseuren der Medienwerkstatt Freiburg, dem Südafrikaner Don Edkins und dem Deutschen Mike Schlömer, ist eine eindrucksvolle Dokumentation über eins der größten Bergwerke der Welt, die President Steyn Goldmine in Südafrika, gelungen. Als erstes Filmteam erhielten sie dort eine Drehgenehmigung für die Gruben.

Rund 8.000 Arbeiter werden täglich über drei Kilometer in die Tiefe geschickt. Unter Tage schuften heißt: Lärm, Dreck, Hitze, Stahl, Schweiß, Neonlicht oder Finsternis. Der Dank dafür sind Kost und Logis, die Garantie für Krebs oder Tuberkolose sowie ein monatlicher Hungerlohn. Über Tage werden jeweils 16 Männer auf weniger als 40 Quadratmetern zusammengepfercht. Das Ghettodesign der Baracken bestimmen gemauerte Wände, Doppelpritschen und Eisenspinde. Die Waschbecken gleichen Viehtränken.

Der Film „Die Farbe des Goldes“ läßt die Wanderarbeiter miteinander diskutieren; über die Arbeit, Frauen, Aids und Alkohol. Letsema Maphathe aus Lesotho erzählt: „Vor 22 Jahren habe ich meine Frau geheiratet, aber nach wie vor ist sie mir fremd, während meiner Ehe habe ich nicht ein Jahr mit ihr zusammengelebt.“ Im „Haus des Satans“ springen an meterlangen Steinstufen galeerenmäßig aufgereiht Tausende von Schwarzen mit freiem Oberkörper immer wieder rhythmisch auf und nieder. Durch diesen entwürdigenden Drill sollen die Muskeln trainiert werden, um die extremen Arbeitsbedingungen auszuhalten. Nur im Kopf ist das nicht auszuhalten. Kurz nach den Dreharbeiten kam es in der Goldmine anläßlich des Generalstreiks im November 91 zu Auseinandersetzungen. 86 Männer wurden dabei getötet.

Was fehlt, sind die Lebensbedingungen der meilenweit entfernt auf kargem Boden zurückgelassenen Frauen, den „Goldwitwen“. Doch den gleichnamigen zweiten Film der Medienwerkstatt zeigt der WDR nicht. Und so bleibt es heute leider nur bei der halben Wahrheit der Wanderarbeit in Südafrika. Caroline Schmidt-Gross

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