■ Vorlauf: Stalins Strafjustiz
„Spiegel TV Special“, Vox, Samstag, 22.15 Uhr
Streng der Regieanweisung folgend, laufen die Inszenierungen nach immergleichem Schema ab: die Angeklagten sind geständig, überlebende Zeugen schildern mit stockender Stimme das Grauen. Das Militärtribunal fällt Todesurteile oder verhängt lebenslange Zwangsarbeit im Verhältnis 4:1. Anschließend werden die Delinquenten zum größten Platz der Stadt gefahren, wo eine von Polizeikordons nur mühsam zurückgehaltene Menge dem Schauspiel der Hinrichtungen beiwohnt. Sowjetische Kameraleute halten drehbuchgetreu den Vorgang fest.
Diese Filmmaterialien bilden das Gerüst von Bengt von zur Mühlens Dokumentation zu den sowjetischen Kriegsverbrecherprozessen. Mehr als die ehernen Inzenierungen fesselt ein kurzer Bericht über den Prozeß gegen Nazi-Kollaborateure. Hier wird ein einziges Mal etwas von jenen spontanen Haßausbrüchen sichtbar, die nach der Befreiung über die Schuldigen (und viele Unschuldige) hereinbrach. Ansonsten vieles allzu bekanntes Material.
Von zur Mühlen hat die Dokumentation dadurch überfrachtet, daß er, um das historische Gleichgewicht zu wahren, auch über die sowjetischen Kriegsgefangenen in Deutschland berichtete. Fragwürdig auch, daß er die Verfahren des Jahres 1949, vermittels deren Zehntausende von deutschen Kriegsgefangenen zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurden, mit den frühen Kriegsverbrecherprozessen auf eine Stufe stellt. Den Rehabilitationgesuchen einer Reihe von Opfern dieser summarischen Nachkriegsjustiz wird dadurch ein schlechter publizistischer Dienst erwiesen. C.S.
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