piwik no script img

■ VorlaufAlltag im Wartheland

Hans-D. Grabes „Poddembice“-Trilogie, So., 23.10 Uhr, ZDF

Poddembice ist eine unscheinbare Kleinstadt in der Nähe von Lodz. Vor dem Krieg lebten dort Polen und eine deutsche Minderheit, darunter Tausende von Juden, halbwegs einträchtig nebeneinander. Was in den Jahren 1940-42 in dem vom Deutschen Reich einverleibten Poddembice geschah, dokumentierte ZDF-Redakteur Hans-Dieter Grabe seit 1994 in drei bemerkenswerten Filmen. Erstmals ist diese Trilogie nun „am Stück“ zu sehen.

Das macht auch Sinn, denn die Schilderungen in den drei Filmen stammen zwar aus unterschiedlicher Perspektive, aber beziehen sich auf dieselben Ereignisse. Nacheinander kommen der vom Deutschen Reich eingesetzte Bürgermeister, ehemalige deutsche Einwohnerinnen und jüdische Überlebende zu Wort. Mit Bildern geht Grabe dagegen sparsam um. Allein im ersten Teil „Er nannte sich Hohenstein“, der auf dem Tagebuch des Bürgermeisters beruht, fährt die Kamera durch die Straßen des heutigen Poddembice und setzte der Autor alte Fotos und privates 8 mm-Filmmaterial ein. In den beiden folgenden Teilen wird nur aus dem „Hohenstein“ zitiert.

Eine filmische Zumutung also, zumal zu dieser Sendezeit. Doch Grabe wollte sich auf die Ereignisse und ihre bis heute anhaltenden Wirkungen konzentrieren: der Schmerz der Opfer, die Verdrängungskünste der Deutschen, das Schwanken zwischen Zweifeln und Rassenwahn des mittlerweile verstorbenen Bürgermeisters. Grabe ist hier ein selten authentisches Dokument vom Alltag im besetzten Polen (hier: Reichsgau Wartheland) gelungen, das erst im Zusammenhang seine volle Wirkung entfaltet: Grabe zeigt im ersten Teil ein Foto von einer Gruppe von Deutschen vor der evangelischen Kirche. Selbstzufrieden haben sie sich unter dem Schild „Für Polen verboten“ postiert. Im zweiten Teil lernen wir jemanden aus dieser Gruppe kennen, die Frau des evangelischen Pastors. „Die kamen dann ja auch bald weg“, sagt sie, und ihr ist die Erleichterung darüber anzumerken, daß die brutale Behandlung ihrer jüdischen Nachbarn wenigstens nicht mehr vor ihren Augen geschah.tgr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen