Vor den Parlamentswahlen in Russland: Putins Saubermänner räumen ab
Wenige Wochen vor den Wahlen ist die Putins Partei "Vereinigtes Russland" auch in der Republik Baschkortostan stärkste Kraft. Die Menschen glauben an den russischen Staatschef.
UFA/MELEUS taz In strahlendem Weiß mit zwei spitz zulaufenden roten Minaretten erhebt sich die neue Ljaja-Tulpen-Moschee im Zentrum der 1,1-Millionen-Einwohner-Metropole Ufa. Auch das Einkaufszentrum "Gostinyj Dvor", ein lang gezogener, flacher Bau mit Giebeln aus kaminroten Steinen, zahlreichen Torbögen und einer in Ockergelb frisch gestrichenen Fassade, hat sich fein herausgeputzt. Fast überall wachsen mehrstöckige Wohnhäuser in den Himmel. Aidar Batyrgariew, ein kleiner, quirliger 21-jähriger Student der Romanistik und Germanistik, der sich nebenbei etwas Geld als Fremdenführer verdient, platz fast vor Stolz, wenn er die Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt der russischen Republik Baschkortostan präsentiert. "Ufa hat sich positiv entwickelt, hier bewegt sich etwas", sagt er.
Die autonome Republik Baschkortostan, die zweieinhalb Flugstunden von Moskau entfernt und westlich des Urals liegt, hat rund vier Millionen Einwohner. Davon sind jeweils rund ein Drittel Russen, Baschkiren und Tataren. Seit 1993 regiert hier Murtasa Rachimow. Der hatte Anfang der 90er-Jahre die Aufforderung des ersten russischen Präsidenten Boris Jelzin an die Provinzen, "Nehmt euch so viel Souveränität, wie ihr könnt!", etwas zu wörtlich genommen und keine Steuern an die Moskauer Zentralregierung abgeführt. Doch unter Präsident Wladimir Putin, dessen erklärtes Ziel es war und ist, die Provinzfürsten an die Kandare zu nehmen, hat sich die Situation verändert. Heute gehen 70 Prozent der Einnahmen Baschkortostans, das über bedeutende Ölvorkommen und Bodenschätze verfügt und zu den reichsten Republiken in der Russischen Föderation zählt, nach Moskau.
Mitte Oktober durfte Rachimow einen hohen Gast aus Moskau empfangen. Putin war in die Republik gereist, um mit dem Bewohnern den 450. Jahrestag des freiwilligen Anschlusses der baschkirischen Stämme an Russland in demonstrativer Einigkeit zu zelebrieren. Von dem Besuch künden noch zahlreiche Plakate, von denen Rachimow und Putin mit nachdenklicher und ernster Miene auf ihr Volk herabblicken. Darunter steht: "Gemeinsame Arbeit zum Wohle des Volkes!"
Dort, wo sich die beiden Präsidenten nicht breitgemacht haben, plakatiert die Partei "Vereinigtes Russland" (Edinaja Rossija), für die Putin bei den Parlamentswahlen am 2. Dezember als Spitzenkandidat antritt, mit Slogans wie: "Ordnung auf den Straßen, Ordnung im Land!" oder "Wir glauben an Russland, wir glauben an uns selbst!"
Jüngsten Umfragen zufolge könnte das "Vereinigte Russland" bei den Wahlen sogar auf eine Zweidrittelmehrheit der Sitze im Parlament kommen. Doch selbst das scheint vielen Russen derzeit noch zu wenig zu sein. Laut einer Umfrage des unabhängigen Moskauer Levada-Instituts sehen 49 Prozent der Befragten die Putin-Partei am liebsten als führende politische Kraft des Staates nach dem Vorbild der KPdSU. Besonderer Beliebtheit erfreut sich dieses Idee bei den 18- bis 24- sowie den über 55-Jährigen.
Auch in Ufa braucht "Vereinigtes Russland" um den Sieg nicht zu bangen. Entsprechend selbstbewusst gibt sich auch Rinat Migranow, Vizevorsitzender der Partei in Baschkortostan. Fast wie eine Maschine rattert der 38 Jahre alte Historiker mit gegeltem Haar und feinem Anzug, der mehrere Mobiltelefone gleichzeitig bedient, den "Plan Putin" herunter.
Seine Partei stehe für ein großes starkes Russland, für eine schnelle Entwicklung der Wirtschaft und einen höheren Lebensstandard und das bedeute auch würdige Gehälter. Betrage der monatliche Durchschnittslohn jetzt noch 13.000 Rubel (380 Euro), so soll er bis 2010 auf 25.000 Rubel (750 Euro) steigen. "Die Russen haben Vertrauen zu Putin, er hat Ordnung im Land geschaffen", sagt Migranow. "Früher haben die Menschen monatelang keine Gehälter und Renten bekommen. Jetzt wird alles rechtzeitig gezahlt. Die Geschäftsleute haben keine Steuern bezahlt, jetzt zahlen sie, und wer das nicht tut, wandert ins Gefängnis", fügt er hinzu. Putin sei der Garant der Verfassung. "Er wird unsere nationaler Führer bleiben und das wird die Situation weiter positiv beeinflussen", sagt Migranow.
Auch für Wladimir Moiseew, Leiter des Lehrstuhls für Politikwissenschaften an der Universität im 200 Kilometer von Ufa entfernten Meleus, wäre ein Verbleiben Putins in der Politik nur logisch. Demokratiedefizite, die der Westen häufig kritisiert, kann er als solche nicht erkennen. "Russland hat derzeit so viel Demokratie, wie es braucht. Das westliche Demokratiemodell ist auf Russland nicht übertragbar. Die demokratische Entwicklung hier muss ruhig, geordnet und ohne revolutionäre Erschütterungen verlaufen", sagt er. Das größte Verdienst Putins und von "Vereinigtes Russland" sei es, zur Entwicklung einer russischen nationalen Idee beigetragen zu haben, die alle Nationalitäten vereint. "Gerade in dieser Idee liegen die Kraft und die Stärke eines großen Russlands."
Der Student Aidar Batyrgariew interessiert sich nicht für Politik. Unter Putin sei vieles besser geworden und er sehe beruflich für sich als Fremdenführer und Übersetzer eine Perspektiven. "Doch mich stört, dass die sowjetischen Traditionen weitergeführt werden. Das ist immer noch so eine kranke Denkweise." Die Menschen glaubten immer noch an den guten Zaren und dann würden eben Jubiläen gefeiert und Hauptstraßen geputzt. "Ich habe noch Hoffnung, dass Russland keine harte Hand braucht", sagt Batyrgariew. "Aber die Wirklichkeit spricht bislang leider dagegen."
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