piwik no script img

Vor GerichtEin Münchhausen des Geldbetrugs

Fast fünf Jahre lang betrog ein 47-Jähriger Banker, Steuerberater und Handwerker. Er behauptete, er sei Erbe eines reichen Vorstandschefs von Ford.

Michael R. hatte immer Erklärungen parat, wenn er Nachbarn, Bekannte und Geschäftspartner um Geld bat. Am überzeugendsten war die Geschichte mit der Erbschaft in dreistelliger Millionenhöhe, die er von seinem Vater erwarte. Der habe im Vorstand des Automobilkonzerns Ford gearbeitet. Die Auszahlung des Geldes würde derzeit von den US-Steuerbehörden geprüft.

Wer ihm diese Geschichte nicht glaubte, dem zeigte der schlanke Mann mit dem jungenhaften Gesicht Schreiben von Banken und Beratungsgesellschaften, die ihm ein immenses Vermögen bescheinigten. Oder er präsentierte einen unterschlagenen Grundschuldbrief über 37,3 Millionen D-Mark.

Fast fünf Jahre lang betrog der 47-Jährige insgesamt 13 Gutgläubige um etwa 300.000 Euro. Unter den Geschädigten waren Banker, Steuerberater und Handwerker. Für 21 Betrugstaten und eine Urkundenunterdrückung wurde R. am Donnerstag zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Dabei hielt ihm das Gericht ein Geständnis zugute, in dem sehr oft das Wort "aber" auftauchte.

Doch wie kam es, das so viele Menschen auf einen eher unscheinbaren Mann hereinfielen, der stottert und mit dem Dativ Probleme hat? Es war 1986, als Michael R. und seine Frau von der DDR in den Westen übersiedelten. Dort ernährte der gelernte Schweißer die dreiköpfige Familie vom Haustürgeschäft: Er verkaufte Staubsauger. Sehr erfolgreich, wie er sagt. Von den Provisionen kaufte er ein Haus.

Kurz vor der Wende schulte er zum Immobilienmakler um und zog nach dem Fall der Mauer wieder nach Berlin. Als Makler scheiterte er an geplatzten Schecks und nicht gezahlten Provisionen. Daraufhin schlug er sich als Autoverkäufer durch. Bis er dann eine Immobilie im brandenburgischen Heckelberg entdeckte. Wenn er dort einen Wohnpark errichten würde, könne er einen Gewinn von 18 Millionen Euro erzielen, prognostizierte ein Gutachter. Doch die Baugenehmigung wurde nicht erteilt. R. trat vom Kauf zurück, den Grundschuldbrief behielt er. Um Kredite zu bekommen, sagt er. Belegen lässt sich nur der betrügerische Einsatz des Dokuments, das viele seiner Opfer dazu bewog, ihm Geld zu leihen. Zwei der Geschädigten, darunter sein Chauffeur, hatten dieses Geld für ihren Lebensabend angespart.

Auch zwei Mitarbeiter einer Bank legte der Betrüger herein: Einem Banker versprach er einen Job als Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft, die er mit ihm gründen wolle; eine Bankerin gab ihm 70.000 D-Mark für die Operation von zwei Kindern aus der dritten Welt.

Irgendwann entdeckte der Angeklagte auch die Masche mit den ungedeckten Schecks: Einen solchen gab er einem Maler, dem er 7.000 Euro schuldete. 34.000 Euro standen auf dem Scheck, den er überreichte. Die "überzahlten" 25.000 Euro zahlte ihm sein Opfer in bar aus. Der Handwerker war ruiniert. Ebenso perfide war die Masche mit den angeblichen Darlehen, die der Angeklagte seinerseits gewähren wollte. Doch bevor er zahlen wollte, mussten ihm die Schuldner vorab die Zinsen entrichten. Danach ließ sich R. nicht mehr blicken.

Über manche Geschäftskonstrukte kann das Gericht nur staunen. So etwa über R.s Ansinnen, von einer Bank Kredit zu bekommen, um dieses geborgte Geld wiederum der Bank zu borgen. Dafür wollte R. dann Zinsen bekommen. "Schwer vorstellbar", sagt der Richter, doch der Angeklagte kontert: "Da wissen Sie mal, was auf dem grauen Markt so los ist!"

Überall suchte R. nach Möglichkeiten, um an Geld heranzukommen. Nicht einmal im Krankenhaus machte er Pause. Einem herzkranken Bettnachbarn versprach er finanzielle Hilfe bei der Publikation eines Gedichtbandes. Doch zuvor musste der ältere Herr erst einmal seinen zukünftigen Sponsor unterstützen.

Im Gefängnis studiert der Angeklagte nun an einer Fernuniversität Jura. Er habe bereits das siebente Semester abgeschlossen und plane nach seiner Entlassung in einem Rechtsanwaltsbüro als Gehilfe zu arbeiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!