Von Genusspolitik zur Macht: Die schwarz-grüne Connection
Sie genossen Wein, Pasta und Politik. Schwarze und Grüne Politiker taten sich mitten in der Kohl-Zeit zusammen. Wird aus der Genusstradition Macht?
BERLIN taz | Sie macht Guido Westerwelle misstrauisch gegenüber den Merkel-Leuten: Die "Pizza-Connection", die Politiker von CDU und Grünen verbindet. Als sie mitten in den Kohl-Jahren gegründet wurde, hatte sie noch den Ruch des Verbotenen. Heute gibt es bereits Regierungen, in denen Minister beider Parteien sitzen. Und weil Schwarz-Gelb in der Krise steckt, könnte es nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen zur bisher wichtigesten Allianz dieser Art kommen.
Die Mitglieder der Connection trafen sich im Keller des Bonner Restaurants "Sassella". Alle waren 1994 frisch in den Bundestag gekommen. Bei der CDU gab es viele Junge, bei den Grünen sowieso. Am 1. Juni 1995 trafen sie sich zum ersten Mal. Der CDU-Mann Hermann Gröhe und der Grüne Matthias Berninger hatten den Abend organisiert, einzige Teilnahmebedingung war die Bereitschaft zum Duzen. Fortan fanden die Treffen regelmäßig statt. Von den Abenden schwärmen die Veteranen noch heute. Rotwein, Pasta und Politik. Es ging ums Vergnügen, aber auch um Macht. Einmal organsierten sie sogar eine Abstimmungsniederlage des Vizekanzlers Klaus Kinkel. "Das hat richtig Spaß gemacht, wir haben damals das freie Mandat entdeckt", sagte der CDU-Politiker und Connection-Mitglied Peter Altmaier der sonntaz. Westerwelle war damals gerade FDP-Generalsekretär geworden und durfte miterleben, was passiert, wenn sich Schwarz und Grün zusammen tun: Die FDP hat das Nachsehen.
Der wichtigste Grund für Westerwelles Argwohn ist Angela Merkels neues Personaltableau. Fast alle wichtigen Vertrauten, die sie nach der Wahl auf Schlüsselpositionen setzte, gingen früher ins "Sassella". Mit den Grünen. Peter Altmaier, der in der Fraktion die Mehrheiten organisiert. Röttgen, der als Umweltminister ein strategisches Themenfeld besetzt. Ronald Pofalla, der als Kanzleramtschef die Fäden der Regierungsarbeit in der Hand hält. Eckart von Klaeden, der als Staatsminister die Absprachen mit den Bundesländern organisiert. Hermann Gröhe, der als Generalsekretär in Merkels Auftrag die Partei führt.
Die Ganze Geschichte lesen Sie in der aktuellen sonntaz - am 6. und 7. März gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich.
Weitere Spuren führen nach Nordrhein-Westfalen. Auch Armin Laschet gehört zur Pizza-Connection, der Integrationsminister, der für Rüttgers Öffnung zu den Grünen steht. Und Andreas Krautscheid, der als neuer Generalsekretär der Landespartei den Wahlkampf retten soll.
Von den Grünen kamen Andrea Fischer, die unter Rot-Grün zur Ministerin aufstieg. Matthias Berninger, Margareta Wolf und Simone Probst wurden damals Staatssekretäre. Cem Özdemir und Volker Beck verhandelten für die Grünen Zuwanderungsrecht und Homo-Ehe. In diesen Ämtern und Funktionen hatten sie damals nicht mehr so viel Zeit wie die Jungen von der CDU - die heute an der Macht sind. Die gemeinsamen "Pizza-Connection"-Abende wurden seltener. Aber man blieb in Kontakt, sah sich auf Partys.
"Mir wird immer klarer, wie viel Angst der Westerwelle hat", sagt Ex-Gesundheitsministerin Andrea Fischer heute. Sie rechnet mit Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen: "Rüttgers wird den Grünen an ein paar wichtigen, symbolischen Punkten Zugeständnisse machen. Da sind die Grünen sehr machtbewusst, das schätze ich an ihnen."
Parlamentskorrespondent Ralph Bollmann beschreibt in einer sonntaz-Reportage, was es mit der "Pizza-Connection" auf sich hat. Er hat mit Protagonisten von damals gesprochen, hat in dem Bonner Restaurant geforscht und versucht die Frage zu klären, ob aus Genussabenden Macht werden kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben