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Archiv-Artikel

Vom Einbürgern und Aussterben KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Wie schön, dass am Sonntag der Wahlkampf vorbei ist. Vielleicht kommen dann einige Unionspolitiker wieder zu Atem. Gegenwärtig scheinen sie ja ganz aus der Puste zu sein, weil sie sich täglich mit neuen Vorschlägen dazu überbieten müssen, wie Ausländern die Einbürgerung hierzulande so schwer wie möglich gemacht werden kann. Müssen sie? Ja, natürlich müssen sie.

Wenn der Koalitionsfriede in Berlin es gebietet, über ernsthafte politische Probleme mit der Hauptgegnerin nicht seriös zu streiten, dann bleibt doch nichts anderes übrig, als mit Stimmungsmache auf Stimmenfang zu gehen. Zumindest in den Augen mancher Wahlkämpfer. Erfahrungsgemäß eignet sich dafür kein Thema vergleichbar gut wie die Angst vor Überfremdung.

Was für ein glücklicher Zufall, dass derzeit Zahnräder ganz unterschiedlicher Bauart auf das Zierlichste ineinander greifen. Die Einbürgerungsdiskussion passt wunderbar zu der aufgeregten Debatte darüber, ob die Deutschen wohl demnächst aussterben, weil es modernen Frauen an der für Kindererziehung nötigen Opferbereitschaft fehlt. Mit der Realität hat all das wenig zu tun. Mehr als 82 Millionen Deutsche gibt es derzeit. Bis die aussterben – das dauert doch noch ein Weilchen. Selbst bei sinkenden Geburtenraten.

Neubürger werden die Nation allerdings wohl nicht retten: In westlichen Flächenstaaten wie Baden-Württemberg und Niedersachsen sind die Zahlen für Einbürgerungen rückläufig. In den neuen Bundesländern, in denen die Angst vor Ausländern am größten ist, will sich ohnehin kaum jemand einbürgern lassen. Was übrigens dafür spricht, dass potenzielle Neudeutsche ziemlich viel über uns wissen. Mit und ohne Integrationskurse.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm spricht sich für eine Vereidigung von Neubürgern aus, und zwar mit der wunderbaren Begründung, ein Eid sei „stets etwas Besonderes, vielfach etwas Heiliges“. Was folgt als Nächstes? Die Seligsprechung aller Deutschen? Es wäre nett, wenn alle Patrioten mal kurz bedenken könnten, ob sie sich nicht außerhalb der Landesgrenzen ziemlich lächerlich machen. Was im Zeitalter der Globalisierung gar nicht gut wäre für den Standort Deutschland.