: Vom Bologna-Prozess überrumpelt
betr.: „Masterplan für Lehranwärter“, taz vom 20. 5. 08
„Die ersten Studierenden dieses Lehramts-Masters haben gerade ein Semester hinter sich – mit viel Praxisbezug und dem ein oder anderen Problem“, heißt es in Ihrem Artikel. Als eine der 265 Master-of-Education-Studierenden kann ich sagen, dass es sich in diesem Studiengang nicht nur um das ein oder andere Problem handelt, sondern um viele schwerwiegende.
Beauftragte zur Umstrukturierung der Studiengänge an der Humboldt Universität zu Berlin sagen selbst, dass der Bologna-Prozess die Universität förmlich „überrumpelt“ hat. Ergebnis sind beibehaltene alte Strukturen in neuem „Modulgewand“. Den Nachteil haben die Studierenden. Im zweiten Bachelorsemester belegen Lehramtsanwärter mit dem Zweitfach Biologie beispielsweise ohne jegliche Vorerfahrungen zusammen mit Diplomstudierenden aus dem achten Semester mit Mathematik- und Biochemiegrundkenntnissen ein Tierphysiologiepraktikum und müssen komplexe Berechnungen durchführen. Eine Wochenbelastung von 32 Semesterwochenstunden lässt kaum Freiraum, Veranstaltungen vor oder nachzubereiten.
Freuen sich die Studierenden dann auf den mit viel Praxisbezug angekündigten Master, müssen sie auch hier schlechte Erfahrungen sammeln. Viel Durchsetzungsvermögen und Zeit sind Grundlagen, um überhaupt studieren zu können. In der Studienordnung festgelegte Veranstaltungen werden einfach nicht angeboten, da man auf die neuen Masterstudenten nicht vorbereitet ist. Überhaupt kennen sich die Lehrenden mit dem neuen „System“ nicht aus. So sitzen zukünftige BiologielehrerInnen in einem mikrobiologischen Hauptseminar und erlernen statt schulrelevanter Methoden und Inhalte detaillierte mikrobiologische Sachverhalte.
Die Berater für die Masterstudierenden haben zwar immer viel Verständnis für Probleme, doch handeln muss man selbst. In einem Jahr stehe ich mit meinem wissenschaftlichen Tierphysiologie- und Mikrobiologiewissen vor einer Klasse und muss feststellen, dass davon nichts schulrelevant ist. Die didaktische Aufbereitung überbleibt dem „Learning by doing“. JULIANE HÄNSCH, Berlin