Volle Zugabteile bei der Bahn: Zwangswartung an ICEs
Die ICEs müssen zum Sicherheitscheck, nun sind die Abteile total überlastet. Die Bahn hat wegen des Börsenganges nicht genügend Züge gekauft, kritisieren Kundenverbände.
KÖLN taz Wegen zusätzlicher Sicherheitskontrollen an den Achsen von ICE-Zügen müssen Bahnfahrgäste noch bis mindestens Ende dieser Woche mit spürbaren Einschränkungen rechnen. Es wird voll im Abteil: Viele der Hochgeschwindigkeitszüge sind derzeit nur in halber Länge und somit mit der Hälfte des üblichen Sitzplatzangebots unterwegs. Betroffen von dem Engpass sind besonders die Verbindungen Hamburg-Berlin-Leipzig-München sowie Köln-Frankfurt-Mannheim und dann weiter nach München oder Basel. Hintergrund der Sonderüberprüfung ist ein Bescheid des Eisenbahnbundesamts von Anfang Oktober: Die Bahn musste die Wartungsintervalle, innerhalb deren die ICE-Radsätze per Ultraschall untersucht werden müssen, von 60.000 auf 30.000 Kilometer verringern. Gegen den Bescheid war die Bahn zunächst vor das Kölner Verwaltungsgericht gezogen, "weil wir der Auffassung sind, dass das technisch keinen Sinn macht", so Bahn-Sprecher Jürgen Kornmann. Das Gericht entschied anders. Der Bescheid steht im Zusammenhang mit dem Unfall am 9. Juli in Köln, als ein ICE 3 wegen einer defekten Radsatzwelle aus den Schienen gesprungen war. Darüber hinaus wurde erst kürzlich bei einer Routineuntersuchung in der Achse eines ICE-T-Zuges ein "Anriss von zwei Millimetern Tiefe" festgestellt. Die Neigetechnikzüge werden ab Hamburg, die Baureihe ICE 3 ab Köln eingesetzt. Die Züge beider Typen werden jetzt überprüft. Kritik am Krisenmanagement der Bahn äußersten der Fahrgastverband Pro Bahn, das Bündnis Bahn für Alle und die Grünen. Wegen des bevorstehenden Börsengangs habe die Bahn notwendige Investitionen nicht getätigt und dadurch ihre ICE-Flotte nicht zeitgerecht ergänzt, kritisierten sie. Dadurch gebe es nun erhebliche Probleme auf Kosten der Kundschaft. Die Bahn habe kaum mehr Züge bestellt, als sie für den Normalbetrieb benötige. "Das rächt sich in solchen Zeiten", sagte der Pro-Bahn-Vorsitzende Karl-Peter Naumann. Winfried Wolf vom Bündnis Bahn für Alle kritisierte: "Überall, auch an der Sicherheit, wurde gespart, um die Bahnbilanz attraktiv für Investoren zu gestalten." Wolf warf der Bahn überdies vor, sie verschleppe die Aufklärung des Kölner ICE-Unfalls vom Juli. Es sei ein Skandal, dass es auch drei Monate danach weder von der Bahn noch von der Staatsanwaltschaft oder dem Eigentümer Bund eine klare Aussage darüber gebe, ob es bei dem entgleisten Zug einen Ermüdungs- oder Gewaltbruch der Achse gegeben habe. "Im Interesse der Sicherheit und im Interesse der Fahrgäste muss die in Köln geborstene Radsatzwelle für neutrale Fachleute zugänglich gemacht werden wie nach dem Unglück von Eschede", forderte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag von NRW, Horst Becker. Nach einem Zwischenbericht der Bundesanstalt für Materialforschung könnte ein Herstellungsfehler für den Achsbruch verantwortlich gewesen sein. "Wir erwarten, dass wir irgendwann eine genaue Ursache haben", sagte der für den Personenverkehr zuständige Bahn-Vorstand Karl-Friedrich Rausch.
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