Volksentscheid in Hamburg: Die Primarschule ist gescheitert
Die Gegner der schwarz-grünen Schulreform haben eine deutliche Mehrheit erreicht. Um kurz nach zehn war klar: Auch das nötige Quorum haben sie geknackt.
HAMBURG taz | Die Primarschul-Reform ist vom Tisch. Um 22.10 Uhr meldete das Statistikamt Nord zum ersten Mal Zahlen, nach denen die Initiative „Wir wollen lernen“ für ihre Ablehnung der sechsjährigen Primarschule nicht nur bei den Ja-Stimmen weit vor dem Vorschlag der vier Bürgerschaftsparteien lag, sondern auch das erforderliche Quorum von gut 247.000 Stimmen erreicht hatte. Am Ende hatten 276.304 Hamburger für die Initiative gestimmt, nur 218.065 für die Pläne des Hamburger Senats
Insgesamt beteiligten sich rund 491.600 Hamburger – knapp 40 Prozent der Wahlberechtigten – an der Abstimmung. 427.000 wählten per Brief, rund 64.600 gaben ihr Votum am Sonntag in den Wahlstellen ab. Von ihnen stimmten 35.000 den Reformgegnern zu und 31.000 den Reformplänen des schwarz-grünen Senats.
Entscheidend für das Ergebnis war, dass in den Hochburgen der Reformgegner, den Wohnorten der Besserverdienenden in Hamburgs Norden und Westen, die Beteiligung per Briefwahl eminent hoch war. Nienstedten (54,7 Prozent), Blankenese (54,0%) und Othmarschen (53,8%) erreichten eine Rekordwahlbeteiligung und auch Stadtteile wie Wellingsbüttel, Volksdorf und Wohldorf-Ohlstedt knackten die 50-Prozent-Hürde. Auch in den innerstädtischen Villenvierteln Harvestehude, Rotherbaum und der neu gebauten Hafencity lag die Beteiligung weit über dem Hamburger Durchschnitt.
Dagegen pendelte die Wahlbeteiligung der Quartiere mit einer niedrigen Sozialstruktur um die 25-Prozent-Marke. In Hammerbrook (17,7%), Dulsberg (22,2%), Steilshoop (26 %) oder St. Pauli (27,3%) machten die meisten Bewohner zumindest von der Briefwahl-Möglichkeit keinen Gebrauch.
Einmalig ist, dass die Hamburger Wahlberechtigten mehrheitlich eine Reform ablehnten, die alle in die Bürgerschaft gewählten Parteien einhellig befürworten. Das Ergebnis ist aber vor allem eine Niederlage für den kurz vor der Auszählung zum 25. August zurückgetretenen Bürgermeister Ole von Beust und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL). Von Beust hatte noch in seiner Abschiedsrede verkündet, dass „das Ergebnis der Volksabstimmung auch mein Ergebnis ist“.
Goetsch fasste das Geschehen mit den Worten „ein Scheißtag“ zusammen. Die Niederlage sei „bitter und enttäuschend“. Dennoch gab sich die Zweite Bürgermeisterin kämpferisch: „Wir werden weiter kämpfen für eine sozial gerechtere Schule“, sagte sie der taz. Den „Starterschulen“, die sich bereits als Primarschulen konstituiert haben, erteilte sie eine Bestandsgarantie als Schulversuch. Das darf auch als Bereitschaft interpretiert werden, mit einem neuen CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus die schwarz-grüne Koalition weiterzuführen. Ein Rücktritt als Konsequenz aus der Niederlage erscheint damit unwahrscheinlich. GAL-Fraktionschef Jens Kerstan hatte schon am frühen Abend gesagt, dass eine „solche Volksabstimmung über eine Sachfrage nicht dazu führen kann, dass ein Senator oder eine Senatorin zurücktreten sollte“.
SPD-Chef Olaf Scholz sagte dem Fernsehsender Hamburg 1, das Scheitern der von allen Bürgerschaftsparteien getragenen Reform sei für ihn „keine Niederlage – das Volk hat entschieden. Auch wenn wir für etwas anderes geworben haben.“
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