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Volksentscheid Wasserbetriebe IIKünasts blamable Wowereit-Attacke

Grüne bezichtigt den Amtsinhaber der Lüge - und setzt sich damit selbst in die Nesseln.

Keine Wasserexpertin: Renate Künast. Bild: dpa

Die Debatte um den Volksentscheid eskaliert. Die Nachrichtenagentur dapd hatte am Freitag vermeldet, es gebe einen Hinweis auf bisher geheimgehaltene Verträge, die im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe im Jahr 1999 stehen. Die Initiator Wassertisch, die das Volksbegehrens gestartet hatte, hatte stets vermutet, dass der Senat noch Verträge zurückhält. Die Wowereit-Herausforderin Renate Künast (Grüne) ging am Samstag zum Angriff über: "Klaus Wowereit belügt Berlin". Auch der Wassertisch befand, der Senat habe "die Bevölkerung mit Vorsatz getäuscht".

Ursache für den Wirbel ist ein Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Die hatten die Geschäftszahlen der Holding der Wasserbetriebe für das Jahr 1999 geprüft. In ihrem Bericht sind auch "wichtige Verträge des Geschäftsjahres" aufgelistet. Neben dem bereits veröffentlichten Konsortialvertrag zwischen dem Land und den privaten Anteilseignern werden dort weitere Verträge genannt. Etwa ein Dienstleistungsvertrag zwischen der Holding der Wasserbetriebe und ihrer Tochtergesellschaft.

Tatsächlich sind diese Verträge bisher nicht öffentlich. Die Frage ist aber, ob der Senat in dieser Frage gelogen hat. Sowohl der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) hatten zwar behauptet, alle Verträge seien inzwischen öffentlich. Dabei hatten sie sich allerdings stets nur auf die Papiere bezogen, deren Veröffentlichung in dem Volksentscheid gefordert wird: Also nur jener Verträge, die "zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern geschlossen worden sind", wie es ihm Gesetzentwurf der Initiative Wassertisch heißt.

Die neuen, in dem Prüfbericht aufgetauchten Papiere gehören nicht dazu. Sie wurden nicht zwischen dem Senat und RWE/Veolia geschlossen, sondern zwischen dem Senat und den Wasserbetrieben oder zwischen verschiedenen Gesellschaften der Wasserbetriebe. Wowereit hat nie behauptet, dass es solche Verträge nicht geben würde.

Auch Künasts Wahlkampfmanager André Stephan konnte am Sonntag auf taz-Anfrage kein Zitat Wowereits nennen, das geeignet ist, eine Lüge des Regierenden Bürgermeisters zu belegen. Die Grünen-Spitzenkandidatin scheint sich schlecht informiert zu haben - und steht nun selbst blamiert da.

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10 Kommentare

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  • VD
    von die wahre taz

    ...apropos Blamieren:

    Der Volksentscheid UNSER WASSER ist mit 98,2 % der abgegebenen Stimmen am Sonntag von den Berlinern angenommen worden. Die Berliner Morgenpost hat heute Thomas Rudek, einem der Sprecher des Berliner Volkentscheids, stellvertretend für alle Unterstützer des Volksbegehrens die Kopfnote 1 gegeben. Die Berliner Zeitung hat schon vor der Wahl festgestellt, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, nicht mit JA zu stimmen. Wowereit, Henkel, Künast und Wolf feiern den Sieg für die Demokratie.

     

    Und was macht die taz? Die taz versucht immer noch, die Position von Senat/RWE/Veolia zu verteidigen, die diese vor der Abstimmung eingenommen hatten. Heiser versucht darzulegen, dass Verträge, die zwischen dem Senat und RWE/Veolia im Rahmen der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe abgeschlossen werden, formal, logisch und inhaltlich etwas vollkommen anderes sind als Verträge, die zwischen dem Senat und einem Tochterunternehmen von RWE/Veolia – hier den Berliner Wasserbetrieben – im Rahmen der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe abgeschlossen worden sind. Das ist so konstruiert, wie es klingt.

     

    Selbst der Senat hat mittlerweile erkannt, dass seine Haltung in dieser Sache „überprüfenswert“ ist und wird unabhängige Gutachter bestellen. Das war für die überwältigende Mehrheit der Berliner schon vor dem 13. Februar absehbar. Wieso nicht für die taz? Wissen die taz-Redakteure eigentlich noch, dass sie in einer Zeitung arbeiten, die einstmals als regierungskritisch und bürgerbewegt galt?

  • F
    FAXENDICKE

    Man könnte ja meinen, dass alle diejenigen die sich so vehement gegen eine Veröffentlichung oder die Nichtigkeit gewisser geheimer Verträge wehren, irgendwelche persönlichen, womöglich rechtswidrige, Vorteile verlieren könnten.

  • IA
    Inyah a

    tja, so sehr ich Sebastian Heiser schätze - schliesslich hat er die Veröffentlichung der Verträge ja maßgeblich zustande gebracht - hier irrt er aber gewaltig: warum sonst sollte Wowereit ausgerechnet heute auffallen, dass vielleicht die eine oder andere "Nebenabsprache" doch noch veröffentlicht gehört. Rot-Rot hat mit seiner Aufforderung mit Nein zu stimmen, weil ja "schon alles offen gelegt ist", die Wählerinnen und Wähler getäuscht. Das ist für mich eine klare Lüge.

  • S
    Sausi

    Ich wußte gar nicht, dass sich die taz jetzt auch zur Regierungspostille aufschwingt. Oder bewirbt sich da nur jemand als neuer Sprecher für Wowis Senatskanzlei?

     

    Dieser Kommentar ist doch nur der durchsichtige Versuch, diejenigen nachträglich zu Siegern zu erklären, die diesen Volksentscheid immer als überflüssig bezeichnet haben. Wenn Sie dafür Belege brauchen, schauen Sie sich einfach die offizielle Stellungnahme des Senats zu diesem Volksentscheid an (finden Sie in Ihren Wahlunterlagen).

    Peinlich!

  • ER
    Eberhard Rüdtmus

    Was soll eigentlich diese ständige und aufgesetzt wirkende Aufregerei über Renate Künast?

  • W
    Weinberg

    Die Darstellung des jüngst nach Berlin eingeflogenen Finanzsenators ist juristisch in keiner Weise haltbar. Es handelt sich bei den im KPMG-Bericht aufgeführten Verträgen letztlich um Verträge, die im Auftrag des Landes Berlin von Unternehmen, die vom Land beherrscht werden, geschlossen wurden.

     

    Der Senat hat zu früh frohlockt, denn auch diese Verträge wird er nach dem Volksentscheid jetzt offen legen müssen. Hierbei wird sich auch noch zeigen, welch unrühmliche Rolle Wowereit (SPD), Wolf (Linkspartei) u. Konsorten spielten.

     

    Im Übrigen wird der Volksentscheid über Berlin hinaus von Bedeutung sein, denn dieser wird ein Ansporn dafür sein, beispielsweise anderenorts für eine Offenlegung der in der Regel schä(n)dlichen und für die öffentliche Hand in jeder Hinsicht nachteiligen PPP-Verträge zu sorgen!

  • H
    hinterwaeldler

    Na, Herr Heiser, mit der Recherche hapert's wohl noch ein bisschen? Ein Blick ins KPMG-Papier hätte ihnen gezeigt, dass es hier u. a. um den Kauf- und Übertragungsvertrag zwischen dem Land Berlin und der RWE/Veolia-Beteiligungs AG (RVB) handelt. Die Schutzbehauptung des Senats ist also sehr wohl eine Lüge. Und wenn nun der Vertrag über den Verkauf der 49,9% an den Wasserbetrieben nichts mit der Teilprivatisierung zu tun haben soll, was denn dann?

     

    http://www.abrissberlin.de/blog/wp-content/uploads/2011/02/kpmg-wasserprivatisierung.pdf

  • KF
    Klaus Freudenthal

    Hoffentlich hat sich Sebastian Heiser nicht selbst vergalloppiert. Warum sonst bleibt der Senat so beharrlich bei seiner Behauptung, dass der Passus zur Ungültigkeit der unveröffentlichen Teile verfassungswidrig sei. Wenn es keine unveröffentlichten Vertragsbestandteile gibt, kann es ihm egal sein, denn dann ist der Passus obsolet. Mir scheint aber da gibt es noch einiges zu verbergen.

  • HS
    Hanko Schwabe

    Nein, Herr Wowereit hätte dann nicht gelogen. Aber bereits im Vorfeld wurden Absprachen getroffen, die nicht im Sinne der Bürger waren.

     

    Was ist schlimmer, zu Lügen oder ganz bewusst die Fragestellung auszunutzen und zu analysieren um irgendwie den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und weiter auf Zeit zu spielen?

     

    Dass sich die TAZ auf einen solchen Bericht über Wortspiele einlässt um Meinungspropaganda im Sinne der Bürgerabzocke zu machen, dass ist ein Skandal! Das ist auf dem Niveau der Zeitung mit den 4 Buchstaben.

     

    Es wird anscheinend Zeit für den nächsten Volksentscheid: Welche geheimen Absprachen existieren zwischen den Nachrichtenagenturen und ihren Anteilseigner, Werbekunden und evtl. sonstigen Weisungsberechtigten.

  • EP
    einem Politikverdrossenen

    ... womit sich Frau Künast leider in den politischen Mainstream eingereiht hat und sich absolut konform mit den allgemein üblichen Gepflogenheiten der hohen Politik verhält.

     

    Von der eigenen Inhaltslosigkeit ablenken, indem man den politischen Gegner diskreditiert.

    Und bloß keine eigenen Konzepte präsentieren - der Wähler könnte sie nicht mögen.

     

    Zur Wahl gehen muss sein.

    Wählen kann man wie immer Pest, Cholera, gequirlte Kacke, Not oder Elend.

     

    Bei einem derartigen Angebot an verlockenden Alternativen sollte die Entscheidung leichtfallen: Einfach alles ankreuzen!