Visum für den Paar-Tanz

Das deutsch-russische Tanzpaar Anna Seltenreich und Anton Skuratow räumt im Jugendbereich alles ab. Eine fehlendes Visum schien die Karriere zu beenden. Jetzt träumen beide vom WM-Titel

Vor gut vier Wochen musste Anton heim nach Wolgograd reisen, da sein Besuchervisum nicht verlängert wurde

AUS KÖLNCHRSTIANE MITATSELIS

Kinn hoch, Brust raus und lächeln! Anna und Anton üben einen Wiener Walzer, wirbeln mit beeindruckender Leichtigkeit übers Parkett. Lehrerin Alla Bastert-Tkachenko schaut ganz genau hin und schreitet immer wieder korrigierend ein. „Ja, so ist es schön“, ruft die russische Trainerin schließlich. Anna und Anton lächeln, es folgt der nächste Tanz. Seit einer Woche dürfen die beiden 14-Jährigen wieder miteinander tanzen. Endlich kann sich das Paar auf die Junioren-Weltmeisterschaften in den Standard-Tänzen vorbereiten, die am 4. Juli im spanischen Lloret de Mar stattfinden. „Sie haben Zeit verloren“, sagt die Trainerin, „sie müssen viel aufholen.“ Und das tun Anna und Anton gern. Überhaupt scheint es nichts auf der Welt zu geben, das die beiden glücklicher macht, als miteinander zu tanzen. Zumindest für ein Jahr droht den Jugendlichen keine Trennung mehr.

Die gemeinsame Geschichte von Anna Seltenreich aus Köln und Anton Skuratow aus Wolgograd begann erst im Dezember 2003. Beide tanzten schon seit ihrem sechsten Lebensjahr, beiden fehlte aber ein passender, ebenso engagierter Partner beziehungsweise eine Partnerin. Trainerin Alla Bastert-Tkachenko, die mit ihrem Mann Dirk selbst im Profitanz erfolgreich ist, wurde in Wolgograd auf Anton aufmerksam. „Ich dachte mir, er könnte zu Anna passen“, berichtet sie. Anton war sofort begeistert und kam nach Deutschland. Die Trennung von der Familie nahm er in Kauf. „Ich will tanzen“, sagt er. „Seine Eltern wissen, wie dickköpfig und ehrgeizig Anton ist. Sie haben sofort zugestimmt“, berichtet Bastert-Tkachenko.

Ein Sprachproblem gab es nicht. Anna, deren Familie vor sechs Jahren aus Kasachstan nach Deutschland kam, spricht perfekt Russisch. Die Harmonie zwischen den beiden jugendlichen Tänzern war von Beginn an fabelhaft. „Was sie in dem halben Jahr geschafft haben, ist schon erstaunlich“, sagt die Trainerin. „Andere brauchen Jahre dafür.“ Bei den Landesmeisterschaften in Nordrhein-Westfalen gewannen sie alle Titel, bei den deutschen Meisterschaften in lateinamerikanischen Tänzen belegten sie Rang zwei, bei den nationalen Titelkämpfen in den zehn Tänzen siegten sie. Und so qualifizierten sich Anna und Anton für die Junioren-Weltmeisterschaften.

Es hätte immer so weiter gehen können, doch dann unterbrachen die Behörden das Glück der jungen Tänzer. Vor gut vier Wochen musste Anton heim nach Wolgograd reisen, da sein Besuchervisum nicht verlängert wurde. Von nun an wurde Dirk Bastert so gut wie jeden Tag im Kölner Ausländeramt vorstellig, setzte alle Hebel in Bewegung, um Antons Rückkehr möglich zu machen. Bastert musste nachweisen, dass Antons Aufenthalt in Deutschland von öffentlichem Interesse ist. Er fand große Unterstützung. Der Kölner Oberbürgermeister und sogar der Regierungspräsident legten ein Wort für Anton ein. Schließlich gelang es: Nach viel bürokratischem Hin und Her bekam Anton eine Aufenthaltsbewilligung für ein Jahr – mit Option auf Verlängerung. „Die Behörden haben sich viel Mühe gegeben und waren sehr kooperativ“, berichtet Bastert. Nach drei Wochen in Wolgograd kehrte der junge Russe nach Köln zurück.

Auf dem Flughafen Düsseldorf wartete ein großes Aufgebot auf Anton. Seine Trainer, Freunde aus dem Kölner Tanzzentrum, Anna mit Familie. Sogar ein Kamerateam vom WDR. „Ich habe immer geglaubt, dass er bald zurück kommt“, berichtet Anna, die ihrem Tanzpartner spontan um den Hals fiel. Anton ließ sich zu einem kurzen Mittagessen überreden – dann wollte er aber sofort mit Anna in den Tanzsaal. Seither trainieren die Beiden vier bis fünf Stunden am Tag. Anton wohnt bei Annas Familie und besucht eine internationale Realschule. Deutsch kann er schon ganz gut verstehen, aber noch nicht sprechen.

Aus den Beiden könne ein sehr erfolgreiches Paar werden, meint die Trainerin. Man müsse aber die Entwicklung abwarten. „Wenn Anna plötzlich wächst und zwei Köpfe größer wird als Anton, dann geht es nicht mehr“. Doch danach sieht es im Moment nicht aus.