„Vieles geht mir einfach zu weit“

DER PRAGMATIKER Adrian Steudle

■ ist 24 Jahre alt und studiert im siebten Semester Psychologie an der Universität Tübingen.

Ich hab gerade zum Protestieren nicht allzu viel Zeit, weil ich bei einem Stuttgarter Verlag mein Praxissemester absolviere. Nach Tübingen komme ich immer nur abends oder am Wochenende. Aber ganz ehrlich: Auch wenn ich die Zeit hätte, würde ich jetzt wahrscheinlich nicht in der ersten Reihe lautstark mitdemonstrieren.

Sicher, manche der Forderungen, die man in diesen Tagen so hört, finde ich absolut richtig. Die Universitäten brauchen dringend mehr Geld für die Lehre und nicht nur für die Forschung. Aber viele andere Dinge, die von den Streikern verlangt werden, gehen mir einfach zu weit. Da wird man doch nicht mehr ernst genommen damit. Die Protestler wollen die Regelstudienzeit abschaffen, das halte ich für völlig falsch. Ich finde auch Langzeitstudiengebühren kein Verbrechen. Ich kann verstehen, dass der Staat von jemandem, der 20 Semester studiert, irgendwann Geld verlangt.

Auch bei der Einführung von Bachelor und Master ist zumindest an der Tübinger Universität nicht alles schlecht gelaufen. Ich selbst studiere noch Psychologie auf Diplom, erst von diesem Semester an wurde bei uns auf die neuen Abschlüsse umgestellt. Unser Institut hat sich dafür so lange Zeit gelassen wie möglich. Ich bin in der Fachschaft, und wir Studenten waren von Anfang an einbezogen in die Bologna-Reformen. Das ist vielleicht anderswo nicht selbstverständlich. Bei uns wird es deshalb jetzt auch keinen Schmalspur-Bachelor geben. Statt sechs Semestern dauert das Bachelor-Studium in Psychologie in Tübingen nun acht Semester, eines davon ist ein Praxissemester, im anderen können die Studenten zum Beispiel ins Ausland gehen. Für diese Flexibilität haben wir Studenten uns immer eingesetzt, und so ist es am Ende auch gekommen. Nur weil ich gerade nicht mitprotestiere, bin ich also noch lange nicht unpolitisch.