: Viele Binsenweisheiten
betr.: „Der Wojtyla-Komplex“ (Die Deutschen haben den Papst in seiner Modernität nie verstanden), taz vom 2. 4. 05
Dass Robin Alexander die Gründe für die vergleichsweise kritische Haltung der Deutschen gegenüber dem Papst in der Geschichte der Deutschen sucht, ist eine außerordentliche gedankliche Leistung. Leben wir doch in einer Gesellschaft, die wie kaum eine andere auf der Welt von einem ähnlich starken Einfluss unterschiedlicher christlicher Konfessionen geprägt ist und nicht eben monokonfessionell, wie in Lateinamerika oder auf den Philippinen. Wo, wenn nicht in unserer Gesellschaft, wäre leidenschaftlich geführte Kritik an päpstlichen Positionen zu erwarten, die das ökumenische Zusammenleben der Christen boykottieren. In Lateinamerika oder auf den Philippinen gibt es kaum Protestanten, also interessieren dort Fragen der Ökumene nicht. Dort tropfen kritische Worte gegen ein unmenschliches turbokapitalistisches Weltwirtschaftssystem in begeisterte Ohren, was dann bei uns eher einen Verstopfungsreflex auslöst, zumindest bei denen, die es hören sollten. In überwiegend protestantisch geprägten Ländern, wie in den Niederlanden, lösen von katholischer Morallehre ausgelöste Diskussionen über eine liberale Abtreibungshandhabung eben nur ein verständnisloses Lächeln und keinen Proteststurm aus. Also viele Binsenweisheiten bei Robin Alexander.
In einem muss ich ihm allerdings Recht geben: Etwas weniger säkularer Hochmut und Dünkel gegen religiös geprägte gesellschaftskritische Anschauungen tut Not. Nur das in einem Atemzug mit Auschwitz zu nennen, das angeblich von der Aufklärung ermöglicht wurde, und damit mal so nebenbei ein Riesenfass aufzumachen, dafür gilt schon wieder: „Knüppel aus dem Sack!“ JOHANNES GÜNNEWIG, Essen