Vertreibung im Ostkongo: Flüchtlinge ohne Hilfe
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo suchen Hunderttausende Schutz vor den Kämpfen. Insgesamt sind 1,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Rebellen lösen Lager auf.
Es gibt für sie keinen sicheren Ort. Mitte der Woche waren zehntausende Flüchtlinge vor den heftigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und den Rebellen der CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) unter Tutsi-General Laurent Nkunda im Osten Kongos in die Provinzhauptstadt Goma geflohen. Jetzt hat die Regierungsarmee in Goma geplündert und Zivilisten umgebracht. Deshalb laufen die Flüchtlinge zu Zehntausenden wieder zurück. An Straßensperren zogen sie gestern Richtung Norden an CNDP-Kämpfern vorbei, die nach eigenen Angaben nur noch sieben Kilometer nördlich von Goma stehen. 45.000 Menschen haben sich laut UNO hinter der Frontlinie in Kibati niedergelassen, 12 Kilometer nördlich von Goma. Zehntausende weitere zogen aus Goma Richtung Westen.
Insgesamt zählt die Provinz Nord-Kivu Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR zufolge jetzt 1,3 Millionen Vertriebene bei 5 Millionen Einwohnern. Ende August waren es 950.000. Nur wenige werden versorgt. "Die prekäre Sicherheitslage lässt immer noch keinen Zugang für tausende Flüchtlingsfamilien zu", erklärt die humanitäre Abteilung der UNO (Ocha). Die Rebellen verkündeten Mittwochabend die Öffnung "humanitärer Korridore" für Hilfswerke. Aber erst gestern begann die UN-Mission im Kongo (Monuc) und das UNHCR Gespräche darüber mit der CNDP in deren neuer Hochburg Rutshuru 80 Kilometer nördlich von Goma. Die CNDP will in den neu eroberten Gebieten Vertriebenenlager möglichst auflösen: Sie sieht in ihnen Rekrutierungszentren ethnischer Milizen. Im Umland von Rutshuru lebten bislang über 100.000 Menschen in Lagern. Ein Teil davon ist nun vor den Rebellen geflohen: Das nahe Uganda vermeldet die Ankunft von 6.000 Flüchtlingen, in Richtung Norden bereiten sich UN-Hilfswerke auf die Ankunft von 50.000 Menschen vor. Der Rest ist nach Hause gegangen, sagt François Gachaba, CNDP-Vizekommissar für die Zusammenarbeit mit Hilfswerken. "Bislang wurden die Menschen von den Streitkräften aus ihren Dörfern in Lager getrieben. Jetzt wollen die Leute nach Hause."
Vorwürfe des UNHCR, wonach Rebellen die Lager angezündet und 50.000 Menschen erneut in die Flucht getrieben hätten, weist Gachaba zurück. "Sie sind von sich aus gegangen und haben ihre Lager selbst zerstört. In ihren Dörfern gab es noch einige Bewohner, die Vieh hielten und Felder bestellten, und zu denen gehen sie jetzt." Denn jetzt seien die Dörfer sicher. Lokale Beobachter meinen, die Menschen verließen die Lager von sich aus, aber "sie haben dabei keine Wahl", wie es einer sagt.
Die Frage, ob sich Nord-Kivus Flüchtlinge eher bei der Regierung oder bei den Rebellen sicher fühlen, wird die Suche nach einer Verhandlungslösung für den Krieg sicherlich beeinflussen. Ein Reigen hochrangiger internationaler Politiker bis hin zu den Außenministern Frankreichs und Großbritanniens machte sich gestern auf den Weg in die Krisenregion.
Kongos Parlament hatte am Donnerstag einstimmig neue Verhandlungen mit den Rebellen gefordert. Die Regierung müsse außerdem den Dialog mit Ruanda aufnehmen. Ruanda wird als Verbündeter Nkundas gesehen, der ihm ein sicheres Hinterland bietet. Ruandas Regierung weist Vorwürfe zurück, aktiv in die Kämpfe eingegriffen zu haben.
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