Versicherung für Hartz-IV-Empfänger: Arme Kranke sollen zahlen

Die Regierung tut sich schwer mit der Krankenversicherung für Hartz-IV-Empfänger. Durch die Hintertür werden Zusatzbeiträge fällig und Privatversicherte sitzen auf den Schulden.

Zusatzbeträge und Schuldenberge: Da steigt der Blutdruck vor Wut. Bild: dapd

KASSEL taz | Die Rechtslage ist eigentlich klar: Eine Krankenversicherung im Umfang der gesetzlichen Kassenleistungen gehört zum Existenzminimum. Hartz-IV-Empfängern steht ein solcher Schutz deshalb auf Kosten des Jobcenters zu. Doch die Bundesregierung tut sich schwer damit, dieses Recht ohne Abstriche zu akzeptieren.

Privatversicherte Hartz-IV-Empfänger konnten eigentlich am 18. Januar 2011 aufatmen. Da stellte das Bundessozialgericht klar, dass die Kosten für den Basisschutz in der privaten Krankenversicherung (PKV) nicht an den Hilfebedürftigen hängen bleiben dürfen. Seit dem Grundsatzurteil müssen alle Jobcenter entsprechend höhere Zuschüsse überweisen.

Allerdings, so geht aus den Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, wird bisher nur rückwirkend ab dem Tag der Urteilsverkündung mehr Geld überwiesen. Bis dahin allerdings hatten viele Hartz-IV-Empfänger bereits tausende Euro Schulden bei ihren Kassen angehäuft. Ob der Staat diese übernimmt, hält sich die Regierung noch offen: "Ob und inwieweit das Urteil des Bundessozialgerichts Auswirkungen auf die aufgelaufenen Beitragsschulden hat, kann erst bewertet werden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt", schreibt das Bundesarbeitsministerium an die Linke.

Und die Versicherer warten unterdessen auf die Politik. Die Unternehmen dürften nicht auf die ausstehenden Beträge verzichten, hieß es beim PKV-Verband.

Über vielen Betroffenen schwebt deshalb weiter die Sorge, ob die Schulden noch eingetrieben werden. Grob überschlagen geht es dabei um rund 3.700 Euro, die ein Hilfebedürftiger in 24 Monaten selbst aus dem Regelsatz hätten zahlen müssen.

Als besonders missliche erweist sich die Situation, wenn eintritt, was eigentlich alle wollen: Die Unabhängigkeit von Hartz IV. "Dann wird das Problem akut", erklärt Anke Plener, Fachanwältin für Sozialrecht in Berlin: "Wenn einem Bedürftigen das gelingt, er aber die rückständigen Versicherungsbeiträge in der Privaten Krankenversicherung nicht zahlt, sinkt sein Versicherungsschutz auf eine Notversorgung." Der Grund dafür: Nur für Hilfebedürftige gilt eine Sonderklausel, nach der die PKV auch dann volle Leistungen gewähren muss, wenn diese mit den Beiträgen im Rückstand sind.

Auch gesetzlich versicherten Hartz-IV-Empfängern können für ihre Krankenversicherung Zahlungen aus eigener Tasche abverlangt werden. Nach offizieller Lesart des Bundesgesundheitsministeriums müssen sie zwar keine Zusatzbeiträge mehr zahlen.

Die Gesundheitsreform hat aber eine Hintertür für die Krankenkassen geöffnet: Per Satzungsänderung dürfen sie doch Geld von den Hartz-IV-Empfängern verlangen - was etliche Kassen, darunter die große DAK, auch tun. Dort werden monatlich 8 Euro zusätzlich fällig. Ein Sonderkündigungsrecht, das den Wechsel zu einer preiswerteren Kasse ermöglichen würde, besteht im Falle dieser Satzungsänderung nicht.

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