Verschwörungen und Desinformation : „Es wird mit der Angst gespielt"
Stefan Rahmstorf und Ingrid Brodnig sprechen auf dem taz lab über Fake News, Desinformation und Verschwörungsmythen zur Klimakrise.
taz lab, 30.04.2022 | Was ist Desinformation, was Verschwörungstheorie und -mythos? Ingrid Brodnig, nennt Verschwörungsmythen im taz-lab-Gespräch „unbelegte Behauptungen mit einem bösartigen Ziel“. Sie sollen Verwirrung stiften. Stefan Rahmstorf stimmt zu: Es werde , dass Klimaforscher*innen täuschen, um mehr Forschungsgelder zu bekommen.
„Es behagt mir nicht, mein Leben umzustellen", sei ein typisches Argument der Menschen, die an solche Theorien glauben, meint Brodnig. So sei man gegen jedes Argument abgeschottet. Doch warum glauben Menschen Verschwörungstheorien? Was macht sie dafür anfällig? Vor allem sei es die Erfüllung eines „Wunschdenkens“, finden die Referent:innen.
Verschwörungen zu Coronapandemie und Klimawandel
So zum Beispiel bei der Coronapandemie: Hier hatten sich Verschwörungsmythen schnell verbreiten können, viel schneller als beim Klimawandel. Dort war das Ganze eher ein schleichender Prozess. Rahmstorf hat dazu eine einordnende Typologie entworfen: Anfänglich seien es Trendskeptiker*innen gewesen, die inzwischen aber ohne jede Bedeutung sei.
Dann seien da die Ursachenskeptiker*innen aufgetaucht, die daran glauben, der Klimawandel sei nicht menschengemacht. Schlussendlich gebe es die Folgenskeptiker*innen, die die Folgen der Klimakatastrophe verharmlosen würden. Und zuletzt: „Es ist eh schon zu spät" – fälschlicherweise Kapitulierende.
Desinformation von rechts
Im Umgang mit Verschwörungstheorien spielt auch die AfD eine wichtige Rolle: Vor allem wenn um Profilierung und den Gewinn von Wähler* innen geht. „Es wird mit der Angst gespielt“, so Rahmstorf.
Das politische Kalkül besteht in der emotionalen Aufwertung. Hinter dem ganzen Szenario stehe eine Industrie, die die Zweifel an der Klimakrise stärken möchte. „Das Ziel ist es, die Öffentlichkeit zu verwirren“, sagt er. Der Zweifel als Produkt.
„Die Wissenschaftler sind sich nicht einig“, heiße es oft. Diese Erwartung werde auch von manchen journalistisch tätigen Personen zum Ausdruck gebracht, erklärt Brodnig.
"Desinformationen werden sich verschlimmern"
Es werden aber absichtlich große Online-Petitionen gestartet, die sich in ihren Inhalten auf fachfremde Personen beziehen, erklärt Brodnig. So soll insgesamt ein „Scheingleichgewicht“ hergestellt werden.
Diese Praxis sei insbesondere in den Vereinigten Staaten zu beobachten. Die Gefahr, dass die nach Europa überschwappt bestehe nach Brodnig aber durchaus: „Wir müssen damit rechnen, dass sich die Desinformation über die Klimakrise verschlimmert“.
Die Komplexität ist zu hoch
Eine neue Tendenz hierbei ist die Individualisierung der Schuld. Dabei seien die Individuen nicht hauptverantwortlich – die eigentlichen Verursacher*innen treten in den Hintergrund.
Auch die Diskreditierung der Klimaforschenden ist ein Problem. Die Komplexität der Themen sei oft ausschlaggebend, meinen die Referent:innen einhellig. Hinzu komme der tiefliegende Wunsch nach Figuren und nach Symbolen.
Wer sind die Skeptiker*innen?
Wer sind die Skeptiker*innen eigentlich? Welchen Bildungshintergrund haben sie? Die persönliche Erfahrung von Rahmstorf sei, dass es sich wirklich „ausschließlich um ältere Männer“ handele, häufig pensionierte Ingenieure.
Und wie mit ihnen umgehen? Rahmstorf und Brodnig sind sich einig: Letztendlich braucht es eine wertebasierte Kommunikation. Sich zu fragen: „was ist der Person wichtig und für sie richtig?“und die Argumentation darauf auszurichten. Abschließend gibt es eine Publikumsfrage: „Ist es nicht besser von Befreiung als von Verzicht zu sprechen?“ Darauf Rahmstorf: „Freiheit ist, dass ich ohne Auto leben kann.“
Ein Text von Dörte Marth aus unserem taz-lab-Blogger:innenteam