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■ Verlag Langenscheidt geht unter die FoltererZebra...?... Zulu.

Goldschatzland (taz) – LeserInnen der Süddeutschen Zeitung jagen die beiden Kürzel MZ und CUS wohlige bis grauenerregende Schauder über den Rücken. Jeden August hecken die beiden Pseudonyme das „Große Sommerrätselrennen“ im SZ-Magazin aus – „das schwerste Rätsel Deutschlands“. Was nicht übertrieben ist: Vergleichsweise wirkt das läppische Kreuzworträtsel im Zeit-Magazin wie eine Übung nach dem Motto: „Ergänzen Sie: Ohne Flei. Kein Prei.“

Jetzt hat der Münchener Langenscheidt-Verlag das Goldwörterbuch auf den Markt geworfen und beweist: Es geht noch schlimmer. Irgendwo in Deutschland ist eine Schatztruhe vergraben, darin ein goldenes Buch im Wert von 50.000 Mark. Wer die Rätselaufgaben im Goldwörterbuch löst, mit der Schaufel als erster loszieht und richtig buddelt, dem gehört die Kiste. Und wieder stecken der offenbar unausgelastete Physiklehrer MZ und der offenbar nicht minder unausgelastete Jurist CUS hinter der perfiden Attacke auf Zeitbudget, Freizeit und Ratelust der Menschen. Denn die heimtückischen und vertrackten Aufgaben der beiden machen süchtig. Foltermeister MZ zur taz-Wahrheit: „Wir haben die Aufgaben gewählt, die wir in der Süddeutschen nie zu stellen wagten.“

„Langenscheidts Goldwörterbuch“ ist ein deutsch-englisches Nachschlagewerk. Vorne stehen ein unverständliches Zeichendiagramm und ein paar vage Hinweise, etwa daß man irgendwann auch das Kursbuch der Bahn brauche. Wozu, ist völlig schleierhaft. Die einzelnen Aufgaben sind in den 1.400 Seiten versteckt, folglich wühlt man erst mal Seite für Seite durch. Dann findet man was, und da steht nur: „Zebra...?... Zulu.“ Oder es ist nach einem Schiff mit „titanischem“ Namen gefragt, das in einem April unterging und etwa 900 Meilen vor New York viele Menschen in den Tod riß. Die Titanic? Haha, viel zu leicht. Aber was?

Weitere Kostprobe: Wie viele Schritte machte eigentlich Neil Armstrong bei seinem gewaltigen Sprung für die Menschheit auf dem Mond? Oder: Ein J. R. aus Dallas wird erwähnt – die Frage: Wofür steht das Kürzel? Leicht? Vorsicht: Ist überhaupt J. R. Ewing gemeint? Oder dies: „Steckbrief aus der Biographie einer bekannten Person: „No.230873, Second Subaltern... Age: 18. Eyes: blue. Hair: brown. Height: 5 ft, 3 ins. Einsatz bei Kfz- Reparatur. Erster Vorname der Person?“ Oder die Sache mit dem doppelten 4. Juli: „Welcher Tag folgt auf den 4. Juli? Beim Klabautermann, nicht immer und überall. In einem Jahr folgte dort auf den 4. Juli was? Noch ein 4. Juli, potzblitz! So steht's in den alten Büchern, die ich dem Roten Korsar abgeluchst habe. In welchem Jahr war das?“

Für den Verlag winkt ein dickes Geschäft. 70.000 Exemplare sind gedruckt. Alles hängt davon ab, wann die ersten RätslerInnen treffsicher buddeln. In England dauerte eine ähnliche Schatzsuche einmal volle zwei Jahre. Der Verlag hat eine Hotline eingerichtet: Seit dem 18. April kommen dort bis zu 200 Anrufe pro Tag. Viele, heißt es, flehten um Tips: „Den besonders Verzweifelnden spenden wir sehr, sehr viel Trost. Helfen tun wir nicht.“ Armstrong scheint viele schon jetzt zu nerven: Eine Anruferin habe erzählt, sie habe lange mit der Nasa telefoniert, sogar Apollo- Commander Michael Collins an der Strippe gehabt, doch auch der habe die Schrittezahl nicht sagen können. Und sonst gibt die Hotline- Dame zu: „Wir haben alle eine sadistische Ader.“ Das glauben wir gerne. Bernd Müllender

(nach Niederschrift wieder in der Ratemaloche versunken)

„Langenscheidts Goldwörterbuch“, Langenscheidt, München, April 94, ca. 1.400 Seiten, 32,80 Mark.

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