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■ Verkehrte Welt in Prenzlauer BergGegen eigene Ziele

Die Wählergemeinschaft Bündnis Prenzlauer Berg ist ursprünglich ein Zusammenschluß von Neuem Forum, Bündnis 90, Die Grünen/AL und Unabhängigem Frauenverband aus dem Jahre 1990. Damals stand es für die Idee, die auf Landesebene deutlich werdende Zersplitterung der alternativen Linken auf kommunaler Ebene nicht zu wiederholen, um sich nicht weiter selbst zu schwächen und offen für andere Initiativen zu bleiben. Diese hatten sich in Prenzlauer Berg zu einem sogenannten BürgerInnen-Netzwerk zusammengeschlossen, in dem über 30 Gruppen einschließlich des BesetzerInnenrates mitarbeiteten. Das Netzwerk beteiligte sich 1992 offen an der Wählergemeinschaft. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Bündnisses war darum immer, diesen Initiativen eine Stimme in der BVV zu verschaffen. Auch gegen die „großen Parteien“, von denen man bei der Wahl 1992 noch wußte, daß sie „gar nicht in der Lage sind, eine andere Meinung als die der Senatskoalition zu vertreten“.

In diesem Jahr hätten erstmals in Prenzlauer Berg reale Chancen für eine solche Politik von unten bestanden, wenn das Bündnis dem Bürgermeisterkandidaten der PDS zugestimmt hätte, dessen Ziele sich wie ein Wahlprogramm des Bündnisses lesen. Doch das Bündnis hat sich anders entschieden und will dem SPD-Kandidaten und bisherigen Sozialstadtrat Kraetzer seine Stimme zur Zählgemeinschaft reichen. Doch nicht der Umstand, daß man Kraetzer bereits kennt, bestimmte dieses Votum für die SPD, sondern die veränderten Machtverhältnisse innerhalb des Bündnisses. Auf der Vollversammlung der Wählergemeinschaft machte insbesondere das Engagement von Marianne Birthler und einigen westdeutschen Abiturienten klar, daß die alternativen Wählergemeinschaften im Osten Berlins vor allem der Partei Bündnis 90/Die Grünen ein Dorn im Auge sind. Die letzten Reste linker DDR-Opposition außerhalb der PDS sollen offenbar endlich vereinnahmt werden. Damit werden jedoch nicht nur die Grundlagen der eigenen Politik aufgegeben. Unabhängige Linke werden geradezu in die Arme der PDS getrieben – und damit die eigene Basis noch mehr geschwächt, als sie es ohnehin schon ist. Wolfram Kempe

freier Autor, ehemaliger Sprecher des BesetzerInnenrats

Siehe auch Bericht Seite 23

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