Verkehr: Öko-Alternative Fernbus
Experten fordern Fernlinienbusse als Alternative zur streikgefährdeten Bahn. Gut für die Umwelt, denn der CO2-Ausstoß der Busse ist geringer als der der Bahn.
Die Streikdrohungen der Lokführer und die Privatisierungspläne der Deutschen Bahn AG haben eine neue Diskussion über den öffentlichen Personenverkehr in Deutschland angestoßen: Muss es eigentlich immer die Bahn sein? Gibt es neben den Billigfliegern nicht auch eine umweltfreundliche Alternative? Doch, den Bus, meinen Klimaexperten und Verkehrspolitiker. "Mehr Wettbewerb im Verkehr durch Fernbusse würde einen Zugewinn an Mobilität bringen", sagt die Verkehrsexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert. Und die Grünen wollen spätestens im Rahmen der geplanten Bahnprivatisierung einen neuen Antrag stellen, das weitgehende innerdeutsche Monopol der Bahn für den Fernverkehr aufzubrechen.
In vielen Ländern gibt es ausgebaute Fernbusnetze, in Großbritannien haben sie den privatisierten und zersplitterten Bahnverkehr längst an Bedeutung überholt. Auch von Deutschland aus gibt es Fernlinien in fast alle europäischen Länder.
Im Inland allerdings herrscht eine Sondersituation. Aufgrund einer Regelung aus der NS-Zeit wird der ehemaligen Staatsmonopolistin Deutsche Bahn AG die Buskonkurrenz erfolgreich vom Leibe gehalten. Auf Strecken, die schon von der Bahn bedient werden, dürfen nur wenige Busse nur im regulären Linienverkehr fahren - vor allem auf den Verbindungen nach und von Berlin. Ein Relikt aus der Zeit der innerdeutschen Teilung: Damals wollte man den Transitverkehr nicht von der DDR-Bahn abhängig machen. "Die Monopolstellung der Bahn ist überholt. Sie ist weder aus ökologischen noch aus wettbewerblichen Gründen aufrechtzuerhalten", sagt Winfried Hermann, Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion.
Und tatsächlich: Nach Erhebungen des Umweltbundesamtes für das Jahr 2005 schneidet der Fernbusverkehr beim CO2-Ausstoß selbst im Vergleich zur Bahn besser ab. Während die Bahn im Fernverkehr 52 Gramm pro Kilometer und Person ausstößt, kommt der Bus auf nur 32 Gramm CO2. Flugzeug und Pkw liegen mit 369 und 144 Gramm weit darüber. Die Werte geben die durchschnittliche Nutzung der Verkehrsmittel an. So wird für das Auto von einer Besetzung mit 1,5 Personen und beim Reisebus von einer Auslastung von 60 Prozent ausgegangen.
Kein Wunder, dass sich die Busunternehmen als unfair behandelt fühlen - nicht nur im Vergleich zur Bahn: "Billigflieger bezahlen keine Mineralölsteuer, das benachteiligt uns sehr", meint Karsten Schulze, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Berlin Linienbus.
Unterstützung bekommt die Branche vom Verkehrsclub Deutschland. Dessen verkehrspolitischer Referent, Michael Müller, sieht den Fernbus als sauberes Verkehrsmittel: "Wir fordern aber moderne Busmotoren mit Partikelfiltern." Mehr als die Hälfte des Feinstaubproblems in den Ballungszentren stammt nicht aus den Auspuffrohren der Pkw, sondern aus Bussen und Nutzfahrzeugen. Zugleich gibt es für Busse und Nutzfahrzeuge unter 12 Tonnen Gesamtgewicht derzeit im Gegensatz zu Pkw keinen Anreiz, bei der Neuanschaffung oder mittels Nachrüstung dafür zu sorgen, dass die Abgase wirksam gefiltert werden.
Auch Werner Reh, Verkehrsreferent beim Umweltverband BUND, sieht noch Verbesserungsbedarf, wenn das Fernbussystem tatsächlich ausgebaut werden sollte: "Billiganbieter sparen an Sicherheit und Komfort", so Reh. Außerdem teile der Bus das Schicksal des Autos: Wegen möglicher Staus auf den Straßen sei seine Pünktlichkeit nicht garantiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“