Verfassungsabstimmung in Syrien: Mitten im Terror an die Urne
Die syrische Bevölkerung soll über eine neue Verfassung abstimmen. Ob das eine Veränderung bringt, ist fraglich. Zugleich gehen die Kämpfe in Hama, Damaskus und Homs weiter.
BERLIN/BEIRUT taz/dapd/afp | Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat am Mittwoch den Termin für das geplante Verfassungsreferendum bekannt gegeben. Ungeachtet der anhaltenden Kämpfe und der Angriffe der Regimetruppen auf Homs, Hama und andere Städte soll die Bevölkerung am 26. Februar an die Urnen gehen.
Zwar wurde in dem Entwurf der Artikel 8 gestrichen, der seit 1963 die führende Rolle der Baath-Partei in Politik und Gesellschaft festschreibt. Doch die Gegner Assads, die zu Beginn der Proteste selbst eine Verfassungsänderung gefordert hatten, bestehen seit Monaten auf einem Rücktritt des Präsidenten.
Assad hatte am 20. Juni im Rahmen seiner dritten Rede seit Beginn der Proteste am 15. März 2011 Reformen angekündigt, zu denen auch die Verfassungsänderung gehörte. Doch kaum war die Übertragung im Fernsehen beendet, gingen in mehreren Städten des Landes Menschen auf die Straße und wiesen seine Vorschläge zurück. Von dem geforderten Rückzug der Sicherheitskräfte aus den Zentren des Protestes war darin keine Rede mehr und ein angekündigter "nationaler Dialog" kam nie zustande.
Seit die Baath-Partei an die Macht kam, haben in Syrien keine freien Wahlen mehr stattgefunden, und die Präsidenten erzielten bei der Verlängerung ihrer Amtszeiten jeweils Fantasieergebnisse.
Neue Offensive auf Hama
Am gleichen Tag, an dem Assad den Termin für das Referendum bekannt gab, begann das Regime mit einer neuen Offensive gegen die Stadt Hama. Zuvor wurden alle Internet- und Telefonverbindungen in die Stadt im Zentrum des Landes gekappt. Nach Angaben des Syrischen Observatoriums für Menschenrechte habe es laute Explosionen in mehreren Vierteln gegeben. Auch in mehreren anderen Orten, darunter in Barzeh, einem Vorort von Damaskus, sei es zu Razzien und Festnahmen gekommen. Bewohner von Barzeh berichteten, die Regimekräfte suchten nach Mitgliedern der Freien Syrischen Armee.
Nach Angaben von Aktivisten flog die syrische Armee auch Angriffe auf eine Ölpipeline in der Protesthochburg Homs. Zwei Militärflugzeuge hätten die Leitung am Rande des Stadtviertels Bab Amro am Mittwochmorgen aus der Luft attackiert, teilte ein Mitglied des Revolutionsrates von Homs unter Berufung auf Augenzeugen mit. Die amtliche Nachrichtenagentur Sana berichtete indes, eine "Terrorgruppe" habe eine Ölpipeline in Homs gesprengt.
Den Angaben der Aufständischen zufolge geriet die Pipeline damit zum dritten Mal unter Beschuss. Bei den vorherigen Angriffen wurde sie demnach aber nicht aus der Luft angegriffen, sondern mit Artillerie. Im Internet live übertragene Videos der Aktivisten zeigten riesige, dunkle Rauchschwaden über der Pipeline, die als Folge des Bombardements beschrieben wurden.
Aufgrund der Kommunikationsprobleme greifen Oppositionelle in Homs inzwischen offenbar auf Brieftauben zurück. "Von den Aktivisten in Alt-Homs an die in Bab Amro, lasst uns wissen, was Ihr an Hilfslieferungen, Medizin und Nahrungsmitteln braucht", heißt es in einer am Fuß einer Taube befestigten Nachricht, wie auf Videos im Internetportal YouTube zu sehen ist. "Wir werden sie Euch zukommen lassen, so Gott will." B.S.
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