VORSÄTZE : Obst fürs Gewissen
Der Kalenderspruch des Tages kam von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes außer: man tut es!“ Sonst schaut man ja nicht so genau hin, aber Kästner packt einen bei der angestaubten Pfadfinderehre, so „Jeden Tag eine gute Tat“-mäßig. Also ab in die nächste U-Bahn und loslegen.
Fünf Minuten später steht dann auch schon der erste Motz-Verkäufer auf der Matte. Flugs wird der Euro ausgepackt, der vorsichtshalber schon vorher in der Hosentasche geparkt war. Wer erst im Portemonnaie kramen muss, macht sich unglaubwürdig. Das wirkt doch halbherzig. Der Zeitungsmann strahlt und greift zu. In den Gesichtern der anderen, untätigen, Fahrgäste ist entweder Verachtung oder demonstrative Gleichgültigkeit zu lesen. Super, alles richtig gemacht mit Kästners Dopingprogramm fürs eigene Gewissen.
Doch halt, da beginnt eine sonnenstudiogegerbte Wuchtbrumme zu starren. Bitterbös sieht der Typ aus. Hat der jetzt wirklich gerade die Zähne gefletscht oder höhnisch gelächelt?
Scheiße, man kennt doch diese Filme, in denen alles ganz harmonisch läuft und plötzlich – peng – ist Schluss mit lustig. Also nächste Haltestelle raus, besser ist das, bevor einen die Paranoiafalle voll erwischt. Mist, der Kerl steht auch auf, der will zur selben Tür. Der wird doch nicht? Jetzt greift der auch noch seelenruhig in die ausgebeulte Jackentasche: Panik liegt in der Luft. Es kommt kein Totschläger zum Vorschein, sondern eine Banane, goldgelb und makellos. „Ick find das richtig jut, mit den Motz-Verkäufer. Der freut sich über jede Mark. Weeste, et jibt eben nix Jutet, außer man tut et. Bitte, Kamerad.“ Noch ein Schulterklopfer, dann ist er weg.
Da steht man dann versteinert auf dem Bahnsteig, starrt auf die Banane in der Hand und ist unfähig, klar zu denken. In dem Moment kommt eine Schulklasse vorbei. „Guck mal, Flashmob“, brüllt es aus der Menge.
JAN SCHEPER