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Archiv-Artikel

VOGELGRIPPE: WIR SIND AUF KEINE SEUCHE RICHTIG VORBEREITET Globale Warnung vor einer Illusion

Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation auf den Philippinen hat vor der Geflügelpest gewarnt. Die Gefahren seien potenziell schlimmer als bei der Lungenseuche Sars, erst recht, wenn sich der Virus mit einem normalen Grippevirus verbindet. So, so – und was folgt daraus? Sollen wir nicht nach Vietnam reisen, wo Millionen Tiere erkrankt sind und auch bereits einige menschliche Todesopfer zu beklagen sind? Sollen wir kein Geflügel aus Fernost verspeisen? Weder noch. Wahrscheinlich will die WHO daran erinnern, dass sich viele Menschen noch immer in der falschen Sicherheit wiegen, vor exotischen Infektionskrankheiten geschützt zu sein. Sars, Vogelgrippe, aber auch Ebola und Lassa-Fieber scheinen Epidemien aus einer anderen Welt zu sein, wo Mensch und Tier eng zusammenleben und es oftmals mit der Hygiene hapert. Kann uns doch nicht passieren, oder?

Dabei haben die Sars-Fälle in Nordamerika und Europa gezeigt, wie schnell sich gefährliche Keime auch in den Industrienationen ausbreiten können. Wir sind auf keine Epidemie ausreichend vorbereitet, wie jeder Seuchenexperte zugibt. Weltweit ist zwar die Aufregung groß und globale Warnungen der WHO – wie vor Jahresfrist vor Sars – vermitteln das Gefühl: In der Bekämpfung und Vorbeugung neuer Epidemien zieht die Weltgemeinschaft an einem Strang. Doch das ist nur eine Illusion. Nicht effiziente Hygiene- und Seuchenschutzmaßnahmen haben Sars eingedämmt – es lag an den Viren, die sich glücklicherweise als nur mäßig infektiös erwiesen. Es war eher eine Medienseuche, die 2003 für weltweite Hysterie gesorgt und Sars zur ersten globalen Epidemie des 21. Jahrhunderts gemacht hat – auch wenn jeder der amtlich registrierten 812 Toten einer zu viel ist.

Man konnte die Ankündigung der WHO vom Ende der Seuche nicht als Erfolg einer weltweiten Gesundheitspolitik feiern. Vielleicht werden wir deshalb auch jetzt schon auf die nächste Gefährdung aufmerksam gemacht. Bisher wurde die globale Gesundheitspolitik nicht wirklich auf die Probe gestellt. Es scheint so, dass sie einer ernsthaften Bedrohung nicht gewachsen wäre. Doch die nächste Epidemie kommt bestimmt. WERNER BARTENS

Der Autor ist Arzt und Redakteur der Badischen Zeitung