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Urteil zu WahlwerbungObama kritisiert Oberstes Gericht scharf

Nach einem Urteil des Obersten Gerichts dürfen Unternehmen und Gewerkschaften in den USA wieder Wahlwerbung betreiben. Obamas Kommentar: "Verheerend".

Das von Obama kritisierte Urteil wurde mit knapper Mehrheit gefasst. Bild: dpa

WASHINGTON rtr | US-Präsident Barack Obama hat den Obersten Gerichtshof wegen eines Parteispendenurteils in ungewöhnlich scharfen Worten kritisiert. "Dieses Urteil ist ein direkter Angriff auf die Demokratie", sagte Obama am Samstag in seiner wöchentlichen Radio- und Internetansprache. Mit ihrer Entscheidung hätten die Richter "die Schleusen für unbegrenzte Mengen an Lobbyistengeldern" in das politische System geöffnet.

"Es gibt den Lobbyisten neue Möglichkeiten, Millionen Dollar in Werbung zu stecken, um gewählte Volksvertreter dazu zu bringen, in ihrem Interesse zu handeln - oder jene zu bestrafen, die dies nicht tun", kritisierte Obama. Zudem warnte er davor, dass nun auch ausländische Konzerne die Möglichkeit hätten, mittels Parteispenden bei US-Wahlen mitzumischen.

Der von einer konservativen Mehrheit dominierte Oberste Gerichtshof hatte am Donnerstag lang geltende Begrenzungen für Geldspenden von Unternehmen, Verbänden und Einzelpersonen an Politiker aufgehoben. Die Begrenzungen hätten die Grundrechte der Unternehmen auf freie Meinungsäußerung verletzt. Das mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen beschlossene Urteil wurde umgehend von den oppositionellen Republikanern begrüßt.

Das Urteil dürfte massive Auswirkungen auf den diesjährigen Wahlkampf für den Kongress haben. Die konservativen Republikaner dürften mit ihrer unternehmerfreundlichen Politik am stärksten von dem Urteil profitieren. Obamas Demokraten droht bei den Zwischenwahlen im November dagegen der Verlust ihrer Mehrheit in beiden Kammern.

Damit würden Obamas Chancen noch weiter sinken, seine Gesetzesvorhaben wie die Regulierung der Finanzbranche, die Verabschiedung eines Klimaschutzabkommens oder die Reform des Gesundheitswesens durchzubekommen.

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5 Kommentare

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  • L
    Lolzors

    Dieser Obama wird jeden Tag gefährlicher.

  • DS
    Das Selbst

    @micha

     

    Stimme ihnen vollkommen zu. Genauso müsste es in D ein verbot für Spendengelder von Firmen an Parteien geben!

    Die Begründung das diese die Demokratie stärke, bzw. das Mitspracherecht ist planker Hohn.

    Das Gegenteil ist der Fall

     

    MfG

  • M
    micha

    @j.bovier

    Sie scheinen überzeugt in einer Phantasiewelt zu leben. Dabei ist es ganz einfach, im Westen wie überall: wer das Geld hat, hat die Macht; wer die Macht hat, hat das Recht (auf seiner Seite).

    Schönen Gruß

  • JB
    Joachim Bovier

    In der Kritik des Präsidenten am Obersten Gericht offenbart sich ein fragwürdiges Verfassungsverstandnis.

     

    Exekutive, Legislative und Judikative sind drei nebeneinaderstehende Staatsgewalten. So will es nicht nur unser Grundgesetz, sondern auch die Verfassung der Vereinigten Staaten. Aufgabe der unabhängigen Justiz ist es demnach, Vorhaben der Regierung auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung zu prüfen.

     

    Nach einer Entscheidung jedoch öffentlich und aggressiv Urteilsschelte zu betreiben, ist für ein Mitglied der Exekutive mehr als unangebracht.

    Herr Obama schadet damit dem Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten.

  • CM
    Cedric Meier

    Während die Arbeitslosigkeit erschreckend zunimmt und die Regierung Obama trotz des Aufstands in der Bevölkerung rücksichtsloser denn je auf die Gesundheitsreform drängt, wurden Einzelheiten über abstoßende Manipulationen der öffentlichen Meinung durch Obamas Leute bekannt. Einige Beispiele:

     

    Cass Sunstein, ein berüchtigter Verhaltensökonom und enger Vertrauter Obamas, wurde von ihm zum „Verwaltungszar“ ernannt. Der Bürgerrechtsanwalt Glenn Greenwald machte auf der Webseite salon.com auf eine Schrift Sunsteins aus dem Jahr 2008 während dessen Tätigkeit an der Juristischen Fakultät der Harvard-Universität aufmerksam. Darin werde vorgeschlagen, daß die US-Regierung verdeckte Teams von Agenten und scheinbar unabhängigen Aktivisten einsetzt, um Onlinegruppen, Webseiten und andere Aktivistengruppen mit Ansichten, die Sunstein als „falsche Verschwörungstheorien“ über die Regierung einstuft, „kognitiv zu infiltrieren“. Das solle dazu dienen, „das Vertrauen der Bürger in die Regierungsbeamten zu erhöhen und die Glaubwürdigkeit vonVerschwörungstheoretikern zu unterminieren“.

     

    Weiter schreibt Greenwald: „Sunstein spricht sich dafür aus, die geheime Unterwanderung durch die Regierung zu organisieren, indem verdeckte Agenten in ,Chatrooms, soziale Online-Netzwerke oder sogar in im realen Raum agierende Gruppen’ eingeschleust werden. Er schlägt auch vor, die Regierung solle glaubwürdige sog. ,unabhängige’ Stimmen heimlich bezahlen, um die Botschaften der Regierung zu verstärken... Das Programm richte sich gegen Leute, die falsche ,Verschwörungstheorien’ verbreiten, was definiert wird als: ,ein Versuch, ein Ereignis oder eine Praxis zu erklären durch Hinweise auf die Machenschaften mächtiger Leute, denen es gelingt, ihre Rolle zu vertuschen’.“

     

    Apropos „unabhängige Stimmen“: Das Weiße Haus zitiert ständig den MIT-Wirtschaftsprofessor Jonathan Gruber als „Experten“, der Obamas Gesundheitsreform voll und ganz unterstützt. In diesem Sinne äußerte er sich am 2.11.09 vor einem Senatsausschuß sowie in zahllosen Artikeln und Interviews. Aber weder er noch das Weiße Haus haben jemals gesagt, daß er von der Regierung dafür bezahlt wurde, gesundheitspolitische Vorschläge zu unterbreiten. Jetzt wurde auf firedoglake.com enthüllt, daß ihm die Regierung seit Anfang 2009 dafür 392.000$ zahlte!

     

    Prof. Gruber behauptet insbesondere, eine Senkung von Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherung (wie im Senats-Gesetzentwurf vorgesehen) würde höhere Löhne für Arbeitnehmer bedeuten, da die Unternehmen das „gesparte Geld“ an sie weitergeben, so daß die Arbeitnehmer wiederum mehr Steuern zahlen (wohl kaum jemand außer einem MIT-Professor würde auf so eine Argumentation kommen). Obama hatte im Wahlkampf seinem Konkurrenten John McCain mehrfach Vorwürfe gemacht, weil der solche Vorschläge unterstützte, nun betreibt er sie selbst und verrät damit die Gewerkschaften.

     

    Für die Senkung der Arbeitgeberbeiträge sprachen sich im Oktober 2008 Stuart M. Butler und Ezekiel Emanuel nachdrücklich in der New York Times aus. Butler ist ein britischer Spezialist für den Abbau der Industrie in den USA und Direktor der „konservativen“ Heritage Foundation. Emanuel, Obamas wichtigster gesundheitspolitischer Berater, ist bekannt als Bioethiker und spezialisiert auf Rationierung im Gesundheitswesen. Er rät demokratischen Politikern in dem Artikel, sich in der Frage gegen die Gewerkschaften zu stellen.

     

    Einige der früheren treuesten Unterstützer Obamas wenden sich aus allen diesen Gründen von ihm ab. Ein Beispiel ist Harper’s Magazine. Der Hauptkommentar der Ausgabe für Februar 2010 der liberalen politischen und kulturellen Monatszeitschrift ist eine scharfe Anklage gegen Obama, weil er keines seiner Wahlversprechen gehalten habe und die diktatorische Politik („Einheits-Exekutive“) und Kriege der Regierung Bush fortsetze. Und Ex-Arbeitsminister Robert Reich verurteilte scharf die Politik der Bankenrettung und forderte einen Glass-Steagall-Standard.