piwik no script img

Urintrinkende JungpolizistenSzenen wie aus einem Dominastudio

Nach Skandalen in der Polizeihundeschule im oberpfälzischen Herzogau kritisiert die Deutsche Polizeigewerkschaft das mangelhafte Ausbildungskonzept.

So harmlos sah es in der Herzogauer Polizeihundeschule nicht aus... Bild: dpa

Urintrinkende Polizeibeamte, Hunde mit Stachelhalsbändern und Prostituiertenbesuche: So beschreibt ein anonymer Brief die Zustände in der Polizeihundeschule im oberpfälzischen Herzogau. Das Schreiben war bei der bayerischen SPD eingegangen, die es an das Innenministerium weitergeleitet hatte. Als erste Konsequenz wurden am Mittwoch drei Versetzungen bekanntgegeben, das ist jedoch ein Routinevorgang bei jeder Art von schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Polizisten.

Am heutigen Freitag will die Regensburger Staatsanwaltschaft erste Ergebnisse ihrer Vorermittlungen bekanntgeben. Die konservative Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) übt allerdings schon jetzt heftige Kritik an den Zuständen in der Oberpfalz. DPolG-Chef Rainer Wendt kritisierte gegenüber der taz die gesamte bayerische "zentralistische" Polizeihundeausbildung, die in der Zeit des damaligen Innenministers Günther Beckstein (CSU) umstrukturiert worden war. Die Ausbildungsstätte sei völlig marode und es mangle an einem fachlichen Konzept sowie an qualifizierten Lehrern. "Die Schule muss geschlossen werden."

Seit dem Jahr 2000 ist das ehemalige SS-Freizeitheim im Landkreis Cham, nahe der tschechischen Grenze, Zentrum der 360 bayerischen Polizeihundeführer. In den meist 12 Wochen dauernden Einführungsschulungen und Fortbildungen ging es in den letzten Jahren aber nicht nur um den richtigen Umgang mit Diensthunden. Hauptthemen im Partyraum der Schule, der "Pandurenklause", waren Sex und Gewalt, heißt es in dem achtseitigen Schreiben. Die Hunde wurden getreten und geschlagen und mit "geschliffenen Stachelhalsbändern" drangsaliert. Prostituierte aus Tschechien sollen ein und aus gegangen sein, nach einem Drogenseminar soll eine angeheuerte Stripperin mit mehreren Beamten auf dem Zimmer verschwunden sein.

Junge Polizeibeamte mussten bei Abschlussfeiern Urin trinken und ihre weiblichen Kolleginnen mussten "niederknien und Bier aus einer Schüssel aus dem Schoß eines Ausbilders trinken". Überhaupt waren die Polizeibeamtinnen Hauptziel der Exzesse. "Unsere Polizeischlampen" seien sie genannt worden, "die lieber kochen lernen sollten, als Polizei spielen zu wollen".

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat die Einrichtung schon länger auf dem Kieker. "Es schimmelt, die Duschen sind auf dem Flur und überhaupt ist der Ort, ein ehemaliges SS-Heim, historisch ungeeignet, wie auch die braunen Sprüche belegen, die wohl gefallen sind", bemängelte Rainer Wendt. "Das ist nicht das, was man unter einer modernen Bildungseinrichtung versteht." Seinen Informationen zufolge gebe es auch kein durchdachtes fachliches Konzept und inkompetentes Leitungspersonal. "Eine gute Führungskraft kann moralische Defizite bei Einzelnen ausgleichen, aber nach den vorliegenden Anschuldigungen waren es ja in erster Linie die Ausbilder, die die Äußerungen gemacht haben." Auch die Schulleitungsebene sei verantwortlich. "Entweder haben sie es gewusst, dann müssen sie ihren Posten räumen. Oder sie haben es nicht gewusst, das ist genauso ein Defizit."

Wendt wies jedoch auch darauf hin, dass Frauen in geschlossenen, spezialisierten Polizeieinheiten immer wieder Probleme hätten. "Man hört immer mal wieder, dass es derbe Witze gibt, die das vertretbare Maß überschreiten." Das passiere gerade in Ausnahmesituationen, wenn Beamte über Wochen zusammen einkaserniert und massivem Stress ausgesetzt seien.

Gegenüber den Nürnberger Nachrichten gestand auch Ministerpräsident Beckstein ein, dass die Polizei bislang immer eine "Männergesellschaft" gewesen sei. Die Vorwürfe würden von der Staatsregierung sehr ernst genommen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!