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Urheberrecht onlineWikipedia muss Loriot-Motive löschen

Mit einem Gerichtsbeschluss hat die Loriot-Erbin Susanne von Bülow Wikipedia dazu gezwungen, Bilder von Briefmarken mit Loriot-Zeichnungen zu löschen.

Wikipedia muss die Bilder der Loriot-Briefmarken löschen. Bild: dpa

BERLIN dpa | Einstweilige Verfügungen kennen auch dann keinen Humor, wenn es um Loriot geht. Die Tochter des verstorbenen Humoristen, Susanne von Bülow, hat einen Beschluss des Landgericht Berlin gegen die Betreiber der Online-Enzyklopädie Wikipedia erwirkt. Stein des Anstoßes waren Fotos von Briefmarken mit Loriot-Motiven im Wikipedia-Artikel über Vicco von Bülow.

"Eine Zustimmung des Künstlers oder seiner Erben für eine Veröffentlichung dieser Motive im Internet ... liegt nicht vor", befand das Gericht. Bei den Briefmarken handelt es sich um die vier Wohlfahrtsmarken der Deutschen Post AG in diesem Jahr - und Briefmarken unterliegen dem Urheberrechtsgesetz, weil es sich dabei seit der Privatisierung der Post nicht mehr um "amtliche Werke" handelt.

Susanne von Bülow hatte der Wikipedia-Betreiberin, der Wikimedia Foundation in den USA, zunächst eine Abmahnung wegen Verletzung der Urheberrechte geschickt. Als es daraufhin keine Reaktion gab, ging sie vor Gericht. Einen Monat nach der Einstweiligen Verfügung, datiert vom 6. Oktober und ausgestellt mit der falschen Bezeichnung "Wikipedia Foundation", wurden die Abbildungen der Briefmarken am 8. November entfernt, wie aus der Versionsgeschichte des Artikels hervorgeht.

Auch die Kosten für das Verfahren, festgelegt mit einem Wert von 30 000 Euro, muss die Wikimedia Foundation tragen. Die Organisation will nach einem Bericht von "Heise Online" vom Donnerstag keine Rechtsmittel gegen die Einstweilige Verfügung einlegen. Die in Wikipedia abgebildeten Briefmarken zeigten die Loriot-Motive "Das Frühstücksei", "Herren im Bad", "Auf der Rennbahn", "Der sprechende Hund" sowie ein Schriftzug von Loriot.

Die Verfügung des Landgerichts stieß im Internet auf ein überwiegend kritisches Echo. Der Hamburger Rechtsanwalt Martin Bahr sagte der Nachrichtenagentur dpa, das Vorgehen der Erbin und die Einstweilige Verfügung seien formaljuristisch korrekt, auch wenn die Zustellung des Beschlusses an die Wikimedia Foundation in den USA ein eher aufwendiger Rechtsweg sei.

Aber "Loriot würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen", weil Vicco von Bülow wenig für solche Konfrontationen übrig gehabt habe. "Wikipedia ist eine anerkannte Online-Enzyklopädie", sagte Bahr. Er könne die Inhaberin der Rechte verstehen, doch werde da "mit Kanonen auf Spatzen geschossen".

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27 Kommentare

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  • W
    Wikipedianer

    Da hat Wikimedia endlich verdient eins auf den Deckel bekommen, ist ja nicht auszuhalten, die Administratorenwillkür in dem Laden!

  • F
    Fassungs-los

    Oh Mann, das Loriot so eine Tochter hat ist ja ausgesprochen traurig für ihn! Ich an seiner Stelle jedenfalls würde mir das von oben angucken und mich fragen, was ich da so grundlegend falsch gemacht habe....

    So. Und nun werde ich meiner Schwester doch nicht die Loriot-Box zu Weihnachten schenken. Jetzt wird's halt die von Monty Python.

  • AV
    Alexander van Essen

    Ich wäre da vorsichtig mit der Einschätzung, dass hier nur eine geldgierige Erbin am Werke ist und der Meister im Grabe rotieren würde. Wenn ich es richtig verfolgt habe, war die Wahrnehmung des Urheberrecht im Hause von Bülow immer schon von höchster Priorität und stets gänzlich humorfrei.

  • WR
    Wolfgang R

    Gerade das Urheerrecht wird in Wikipedia immer hoch gehalten, wenn ich dort einen Artikel verfasse erkläre ich ausdrücklich, dass ich nicht nur freies Material einstelle.

     

    Frau Bülow wusste offensichtlich nicht, dass es auch anders gegangen wäre: Anmelden bei Wikipedia und die Bilder selbst entfernen. Mit der entsprechenden Begründung.

     

    Merkwürdig: Die Wikipedia-Moderatoren sind sonst auch nicht zimperlich wenn es um die Löschung ganzer Artikel geht. Oder wenn ein Artikel ihrer Meinung nach ungenügend belegt ist.

  • AD
    Alban der Weise

    Cherchez l'humour - et pas l'argent, Madame !!!

  • Z
    (zi)tazitus

    "Ach was."

  • VC
    von Clothilde

    Man sollte die "Verwertung" von Urheberrechten nur dann an die Erben weitergeben, wenn der Erblasser das per Testament bestimmt. Die 70 Jahre Regelung ist längst überfällig überflüssig. Es schlagen raffgierige und dumme!!!! Erben hier Kapital aus etwas, was längst auch allgemeines Kulturgut geworden ist. Diese "Erbin" sollte sich was schämen.

    Money Money Money got no funny

  • DD
    Damian Duchamps

    Ich finde das Vorgehen dieser Dame aus zwei Gründen äußerst bedauernswert.

    Einmal hat die Frau scheinbar nicht verstanden, was Wikipedia ist und dann sind 30.000 € eine Menge Geld, vor allem, wenn es um Geld aus Spenden geht. Die müssen erst einmal wieder reingeholt werden.

    Der Richter hätte die Frau besser für ihre Dummheit zu einer Spende an Wikimedia verurteilen müssen. Da er aber aus dem gleichen Holz geschnitzt scheint, ...

     

    Möge die Dame an ihrem Geld ersticken. Das wäre der gerechte Lohn für derartig kurzsichtiges Verhalten.

  • F
    FranKee

    @CeFi: der Apfel ist auch künstlerisch ganz schön weit und tief geflogen. Google mal nach der "künstlerischen" Website der Dame.

     

    @Stephan: Weil die Taz "tagesaktuelle Berichterstattung" macht, da darf man einiges mehr im Fotorecht.

     

    Sehr zu empfehlen:

    http://www.karstenundschubert.de/uploads/media/Fotorecht_Fotografen_01.pdf

     

    (ändert nicht daran, dass unser Urheberrecht krank und pervers ist)

  • H
    Hanno

    Ein bedauerlicher Nebeneffekt der Postprivatisierung, der bisher wohl kaum jemandem klar gewesen sein dürfte. Bislang ging ich mit absoluter Sicherheit davon aus, dass die Abbildungen auf Briefmarken generell gemeinfrei sind. Das gilt wohl nur noch für solche, die vor der Privatisierung gedruckt wurden.

  • D
    D.B.H.

    Diese Urheberrechtsterroristen...die Tuse sollte sich was schämen.

    Die Wikipedia ist doch ein Geschenk des Internetzeitalters, Wissen für jeden, überall. Und dann kommen irgendwelche steinreichen Erben und bilden sich sonst was ein. Zum kotzen!!

  • TD
    tolles deutschland

    Ganz Deutschland klebt die Motive auf Briefmarken, aber für ein Onlinelexikon ist es verboten.... Die Erben sollten sich aufs Geldausgeben konzentrieren und nicht die Allgemeinbildung behindern.

  • C
    CeFi

    Ausgesprochen interessant wie weit ein Apfel vom Stamm fallen kann.

  • F
    FranKee

    Man kann nur spekulieren, was Susanne von Bülow dazu treibt, und was sie als Nächstes treiben wird:

     

    Weder sind die Motive irgendwie anstössig, noch erscheint ihr Vater auf Wikipedia in schlechtem Licht. Auch lässt sich aus Wikipedia (im Gegensatz zu Verlagen) wohl kaum Geld rausholen, um stattdessen für die Bildrechte zu zahlen...

     

    Da es um Ehre als nicht geht, meine Spekaluation: Geld, Geld, GEld. Das ist der Beginn einer grossen Abmahnwelle, bei der jeder Fitzchelchen Loriot irgendwo auf einer Vereinshomepage, einem Blog, einer Freundesseite zu heftigen Strafen führen wird.

     

    Ups, natürlich nicht zu Strafen, da bräuchte es ja Richter und der Erlös ginge ins Stadtsäckel, sondern zu Anwalts-"Kosten". Ziemlich fernab von dem was kaufmännisch unter Kosten zu verstehen wäre:

     

    Ein einzelnes Loriotbildchen in einem keinesfalls anrüchigen Kontext hat selbstverständlich den Streitwert, den z.B. ein Ingenieur in 6 Monaten verdient. Da kann man an einem 2-3 seitigen Briefchen, oft in eher fragwürdigem juristischem Deutsch, schon mal vierstellige Beträge verdienen. Auf daß sich der Anwalt die Backen stopfen kann. Das dürfte auch schon reichen, die meisten Opfer einzuschüchtern. So pervers ist unser Rechtssystem! Für Menschen unterhalb der Liga Spitzenverdiener/Firmenboss ist Deutschland de fakto auch kein Rechtsstaat mehr.

     

    Abgesehen von dem Punkt: "Fair Use" - ach wo denn? doch nicht in Deutschland!

     

    An dieser Stelle einen herzlichen Dank an "Sozialdemokratin" und Abmahnschöpferin Brigitte Zypries und ihre in diesem Punkt weitgehend untätige Nachfolgerin von der F.D.P., daß derlei legal und sogar staatlich gefördert ist...

     

    Mit piratigem Gruß,

     

    Fran Kee

     

     

    PS: Neben Murat Kurnaz und Stasispeicherung ist die Hinterv****keit des deutschen Abmahnwesens für mich persönlich -der- Grund, NIE WIEDER Volkspartei zu wählen. Oder dieses traurige, ehemalige Bürgerrechtshäuflein...

  • B
    BiBo

    War ja klar. Kaum ist der Vicco kalt, schon wird versucht überall noch n Euro raus zu pressen!

  • G
    grafkoks2002

    Tjaja... Ich arbeite zurzeit an einem Buch, für das ich viele Fotografien benötige. Die sammle ich zur Zeit und natürlich überprüfe ich die Urheberrechtssituation. Doch bei alten Bildern ist dies nicht immer einfach. Und was sagte kürzlich ein sehr alter Sammler zu mir, als er mir einige seiner Bilder zur Verfügung stellte: "Von mir aus können Sie mit den Sachen machen, was Sie wollen. Aber prüfen Sie noch einmal die Rechtesituation, denn schlimmer als Fotografen, die um ein Honorar geprellt werden, sind deren Erben." An diesen Spruch musste ich bei der Lektüre dieses Artikels denken. Ob das so ist, weil Erben außer dem Erbe keine Talente besitzen?

  • W
    wunderman

    Humor scheint also nicht erblich zu sein..

  • T
    tazitus

    Darf noch zitiert werden? Ich nehme mal was von Wilhelm Bendow. Ganz vorsichtig. "Wo laufen Sie denn?"

  • S
    Stephan

    Eine Frage: Warum darf die Taz diese Briefmarken dann veröffentlichen?

  • BM
    Berndt Müller

    An unserem Urheberrecht stört mich schon lange, dass Menschen, die so gut wie nichts für ein künstlerisches Werk getan haben (Erben), nach dem Ableben des Künstlers noch Provit daraus ziehen können.

    Ich bin für ein Urherrecht, dass nur den tatsächlichen Erzeuger des geistigen Eigentums berücksichtigt. Leider müssen dann tausende Anwälte und Erben sich selbst um ihren ehrlichen Broterwerb bemühen.

  • J
    Jan

    Mir erschließt sich der Sinn dieser Verfügung nicht. Was genau möchte die Dame denn erreichen? Glaubt sie, dass durch Wikipedia der Absatz der Briefmarken einbricht? Ja klar...wahrscheinlich druckt sich jemand die Bilder aus und klebt sie auf nen Brief.

  • V
    viewer

    Und als Folge des Gerichtsurteils berichten nun alle Intern-Medien darüber und veröffentlichen die Bilder der Briefmarken, als Teil der Berichterstattung!

     

    Also wenn es wirklich das Ziel der Loriot-Erbin war, dass die Bilder nicht im Netz auftauchen, dann hat sie sich mit dieser Aktion selbst ins Knie geschossen!

  • S
    schreiber

    das ist meiner meinung nach eine ganz armseelige aktion ... das löschen lassen.

    ein trauerspiel.

  • K
    KFR

    und die youtube vids ?? besser mal vorsorgen ...

  • JE
    Jörg Ehlert

    Zu dieser Posse wäre Loriot gewiß eine Gegen-Posse eingefallen. Wie schade, dass sich so häufig so wenig sich am - mutmaßlichen - Willen des Erblassers orientieren.

    Und: Es war doch eine kostenlose Werbung in Wikipedia!

  • A
    Aas

    Erbärmlich. Kaum ist der gute Mann tot, kommen schon die Aasgeier angeflogen und streiten sich. Ekelhaft.

  • J
    Jürgen

    Erben und nichts gelernt. Die Generation "Erbe" mal wieder erwischt bei höchst möglicher Abzocke. Wie peinlich!