■ Urdrü's wahre Kolumne: Sportlehrer ins Papageienhaus?
Urdrü's wahre Kolumne
Sportlehrer ins Papageienhaus?
Muß das wirklich sein, daß das offizielle Bäckerburschenrad des durch Schrifttafeln ausgewiesenen offiziellen Bäckers des offiziellen deutschen Fußballmeisters 1993 unweit der Katharinenpassage mit platten Reifen steht? Kein gutes Omen für die nächste Saison!
Auf meine Segenswünsche für MitgliederInnen von GEW und Philologenverband zum Ferienantritt meldete sich ausgerechnet ein Sportlehrer (!) mit den Worten: „So fällt man uns ausgerechnet jetzt in den Rücken, wo die Politik auf Verlängerungen der Arbeitszeiten drängt!“ Ein Sportlehrer ausgerechnet muß sowas sagen - Kreaturen, die WIR schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert mit dem Slogan „Vögeln statt Turnen“ abzuschaffen gedachten. Werdense bitte nich frech, Sie frischfrommfröhlichfreier Turnvater Jahn!
Woran erkennt man Menschen, mit denen man nicht auf längeren Bahnreisen in einem Abteil zusammengepfercht sein möchte? Mir zum Beispiel verursacht der Gedanke Magenschmerzen, mit hiesigen Veranstaltern von Massage- Wochenenden längere Reisen zu überstehen, die ihre Dienste mit den Worten anpreisen „Berühren und sich berühren lassen — sich gegenseitig etwas Gutes tun“. Sich gegenseitig etwas Gutes tun, tsstss — und schönen Gruß auch an Nesthäkchens Wohlfühl-Kränzchen auf bienenwachsgepflegten Birkenholzbohlen, Wolldecke bitte mitbringen.
Wie bescheuert TurnerInnen wirklich sein können, bringt uns das Vereinsblatt des TV Grambke nahe. O-Ton: „Eine Menge Spaß hat unsere Dienstagsgymnastikgruppe unter Leitung von Maryam zur Jacobsmühlen mit einem neuen Dehnprogramm! (Kleinere Frauen werden dadurch nicht größer.) Bei flotten Rhythmen kann Kraft als Lebensenergie, die sich in Bewegung äußert mit Entladen, Anspannen und Lösen wieder neue Kraftreserven aufladen. Diese angenehmen Übungen sind nicht nur als Muskeltraining gedacht, sondern bringen eine Menge physischer Energie. Sieht unsere ‘Truppe' nicht fit aus?“ Das Ganze übrigens unter der Überschrift “Kraft durch Freude“...
Da wo Holsten prominenten Sozialdemokröten am dollsten in die Köppe knallt, im Schnoorlokal Kaiser Friedrich, hockt dieser Tage eine Runde bremischer Kaufleute am Freiluft- Stammtisch vor der Tür und amüsiert sich: Ein Trunkenbold aus den niederen Ständen pöbelt wüst über diese Scheiß-Stadt und das Scheiß-Sozialamt und das Scheiß-Papageienhaus, kurz: ein ordinärer Mensch. Als er aber der Kaufleute ansichtig wird, macht er ganz freundlich Kratzfuß, schwenkt den speckigen Hut und brüllt „Die Ampel muß weg“. Das fanden die Herren auch und spendierten dem Habenichts ein noch halbvolles Bierglas und einen vermutlich echten Zehnmarkschein. Ziemlich Nobel, dieser Weg zur ganz großen Koalition. Und wenn der Kerl dann noch Präses der Handelskammer wird, freut sich von Herzen mit Ulrich Reineking-Drügemöller
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