■ Urdrüs wahre Kolumne: Jeder Dritte wird erschossen
Mit beneidenswert preiswerter Wochenkarte schickt Der Herr sein Gescherr derzeit Tag für Tag zu Seinem Kirchentag nach Hamburg und setzt auch damit ein Zeichen gegen die Verstocktheit der Shell.
Belohnen tut sein Gesinde das dann mit so zeitgeistigem Kernschrott wie einer Tekkno–Version des modernen Kirchenliedes „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“ im Programm der Lutherischen Verlagsgesellschaft Kiel. 130 Beats per Minute! Für die Kiffer unter uns gibts das dann auf diesen Text vermutlich bald die Reggae-Version. Yayah love!
Daß der SV Werder dem FC Freiburg seinen Ballkünstler Rudolfo Cardoso mit dem Lockruf des Geldes ausgespannt hat, macht rechtzeitig zur großen Koalition in Bremen deutlich, daß sich das Zentrum der kollektiven Gutmenschlichkeit von der norddeutschen Tiefebene in den Breisgau verlagert. Nugut, dieser Standortfaktor ist weg: Dafür gibt es jetzt einen Boom für Autosammelbildchen an der Weser und Nöllikowski samt Scherf verpflichten sich in einer Bremer Erklärung, künftig ihre Fahrradreifen nicht mehr bei der Shell-Tankstelle mit Luft zu füllen.
So bedankt sich die Leserin Elisabeth Pilsberger (schöner Name das!) bei der Wochenzeitung Heim & Welt für den Preis in einem Ratespiel meines viertliebsten Blattes: „Ich muß ihnen einfach schreiben, wie sehr ich mich über den Tiger freue, den ich bei Ihnen gewonnen habe. Er sitzt jetzt im Sessel und blickt auf das Bild meines verstorbenen Mannes, dessen Namen ich ihm gegeben habe.“ Und Sonntags bekommt Tiger Heinz immer ein großes Eisbein.
Würdigen wollten wir an dieser Stelle die Verdienste jenes Gastronomen, der in der Langen Reihe zu Walle das Wirtshaus Dummkowsky betreibt, bei dem jedes Getränk vom kleinen Bierchen über Mineralwasser und Apfelsaft bis hin zum Magenbitter oder Eierlikör exakt eine Mark kostet und selbst Kaffee, Sandkuchen und Frikadelle für diesen Preis zu haben ist. Jetzt aber hat der Wirt die Preise schlagartig um 50 Prozent erhöht und so dämmert uns, daß hier wieder mal ein gewissenloser Dealer die Kundschaft erst zum Discount-Tarif süchtig macht, um dann selbst Kasse und die Gäste kaputt zu machen. Dazu sollten Lars Vegas & Die Heiterkeit mal einen Protestsong schreiben!
Bei einer Reklamation in der Reinigung wegen abgerissener Jackett-Knöpfe deutet die Service-Kraft mit entschiedener Aversion auf ein Schild neben der Kasse: „Jeder Dritte, der sich hier beschwert, wird erschossen.“ Nochmal Glück gehabt...
Die Seestadtprojekt Betreuungs-GmbH wirbt unter steuersparwilligen Volksgenossen für ein Berlin-Projekt mit den Worten „Checkpoint Charlie wird Checkpoint Plaza“ und zeigt dazu das legendäre Foto jenes Vopos, der noch beim Mauerbau in voller Kluft über den NATO-Stacheldraht sprang, mit dem der antifaschistische Schutzwall seinerzeit provisorisch gesichert war. Text zum Bild: „Die Kapital-Flucht nach Berlin ist im Interesse der staatlichen Verfolger. Investieren, wo das Hauptstadtherz bald schlägt, denn der kluge Deutsche baut vor. Die Zukunft gewinnen und in der Hauptstadt anlegen. Schon von Staats wegen!“ Die sanfte Revolution der Tierärzte und Pastoren rechnet sich in Plaza und Placenta. Fragen Sie Ihren nächstgelegenen Sparkassenangestellten!
Gestern abend las ich diesen handgeschreibenen Spruch auf einem leibhaftigen Bierdeckel: „Hier spricht der Volksmund: Diese Welt ertrag ich einfach nicht.“ Greif zur Zwille, David!
Ulrich Reineking-Bindestrich
PS: Beruhigend für die AOK-Mitglieder unter uns: Auf Mallorca gibt es jetzt eine Servicestelle der Ortskrankenkassen und das auch noch direkt über dem LTU-Büro in Palma. Merkense sich das, und Sie werden mir nochmal dankbar sein!
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