piwik no script img

■ Urdrüs wahre KolumneEau de Jägermeister

Von Haus aus bin ich ja Biertrinker, aber gelegentlich halte ich den Rüssel auch schon mal in ein Weinglas und solche Ambitionen zu bedienen, ist der bessere örtliche Weinhandel da. Und dieser Heiner Lobenberg preist seine lobenswerten Produkte dann per Rundschreiben so an: „Kraftvolle expansive Nase nach Tabak, Teer und Früchten ... zähnebeschlagendes Tannin ... ein Muskelpaket mit enormem Potential ... fast unmöglich, ihn auszuspucken.“ Ja wer täte denn sowas bei den Preisen, fragen wir uns selbst ohne Anspruch auf Antwort, um dann weiterzulesen: „Weich wie Samt, ein gewaltiges drogenhaftes Konzentrat, sehr erotisch.“ Drogenhaft! Erotisch! Und das noch konzentriert! Eingeschüchtert und verängstigt legen wir die Auswahlliste beiseite und wanken wie benommen zum Kühlschrank, wo allein die Alternative Pils oder Weizen Kopfzerbrechen macht. In jedem Falle süffig.

Die 19 BremerInnen aber, die Rotwein vor dem französischen Konsulat und damit Perlen vor die Säue vergossen, um gegen die überseeischen Atomtests dieser bornierten Mischpoke zu protestieren: Diese Menschen von untadeliger Gesinnung mögen doch bitte vom heimischen Weindepot auf ein paar Anerkennungsflaschen vom Feinsten eingeladen werden, denn was da verschüttet wurde, war hoffentlich ohnehin eine Kreszenz aus der Appelation Tetrapack! Wir empfehlen für künftige Protestaktionen die kollektive Entleerung der Harnblasen im Foyer, weil da die Symbolik stimmt!

Um guten und weniger guten FreundInnen eine neue Telefonnummer bekanntzugeben, wollte ich kürzlich beim Schnelldruckautomaten am Hauptbahnhof entsprechende Karten anfertigen. Ohne Erfolg. Das Gerät schluckte zwar die angeforderten Münzen, weigerte sich aber beharrlich, seine Funktion zu erfüllen. Ach, hätte ich doch nur vorher die Kärtchen gesehen und gelesen, die da im Ausgabeschacht lagen und auf denen zu lesen war: „DeAUTOMATfunkTonet GrOsse KAKKE.“ So selbstkritisch kann selbst die unbeseelte Materie sein! Noch ein Rechtschreibprogramm dazu und das Ding könnte uns ein guter und aufrichtiger Freund werden!

Kein Wort mehr über das SV Werder-Debakel, für das wir en passant den hochverräterischen Bremen-Dissidenten Otto R. und den Jungfilmer Euler verantwortlich machen (letzteres übrigens nur, weil man den nicht oft genug anpöbeln kann). Ein schönes Wort zum Triumph der Dortmunder Borussen aber war aus dem Munde des Bundesarbeitsministers Norbert Blüm zu hören und soll hier als abschließendes Statement festgehalten werden: „Borussia, Du bist ein Verein des Volkes, mit beiden Beinen fest auf dem grünen Rasen, nicht abgehoben und arrogant, erst recht keine Schickimicki-Gesellschaft, wie man sie südlich des Weißwurst-Äquators so gerne kultiviert. Du bist prall und aufregend wie das richtige Leben. Dein Jubel und Dein Leid sind nicht gespielt, sie sind echt und intensiv.“ So schön hat das über die 5. Herrenmannschaft des ESV Blau-Weiß noch nie jemand gesagt, aber wir übernehmen das einfach mal ...

Verrückter wird die Welt von Tag zu Tag und deshalb plant die Deutsche Telekom zum Herbst, für Werbezwecke duftende Telefonkarten herauszugeben, deren Geruchsnote passend zum beworbenen Produkt sein soll. Stellnse sich das mal für die Wahlwerbung vor, was da für ein Gemüffel in Ihrer Brieftasche zusammenkommt, wenn Sie etwa zunächst von der Altmänner-Riege der AfB bedacht wurden, danach kommt vielleicht die SPD-Ortsvereinsmischung aus Jägermeister und Stumpen der Marke „Handelsgold“ und zum Schluß noch ein Hauch von Arnika, Bienenwachs und Tafelkreide von Familie Grünspecht im Kartenfach versammeln. Dann doch lieber das FDP-Odeur: klares Nix und schnell verflüchtend. Ulrich Reineking-Drügemöller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen