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■ Urdrüs wahre KolumneDie Grausamkeit der Amsel

Rechtzeitig zum 1. September, früher auch schon mal von Familie Grünspecht als Antikriegstag zelebriert, wird auf dem Balkan natomäßig zurückgeschossen. Gebetserhörung in schwerer Zeit. Nun bitte ich aber doch um ein bißchen mehr Konsequenz: Ausschluß aller unverbesserlichen Pazifisten und aktive Teilnahme der Fischer-Fückse an den kommenden Herbstmanövern auf den niedersächsischen Rübenfeldern. Und bitte nicht kneifen in China, Tschetschenien und anderswo. Sarajevo ist überall! Merke: Wer tatkräftig mithelfen darf, erträgt den Weltuntergang leichter.

Die kämpferische Castor-Fraktion mit dem Eisenbahn-Tick wird hiermit höflichst aufgefordert, sich an diesem Wochenende bei diesem Vergnügen insoweit zu beschränken, daß die Zugverbindungen zum UZ-Pressefest in Dortmund ungestört bleiben. Wie sonst sollen wir nichtautomobilisierenden Nostalgiker als letzte Fußkranke der Weltrevolution rechtzeitig zum Klassentreffen kommen?

Sorge mache ich mir um Umweltsenatorin Tine Wischer. Nachdem ihr Ressort die Piepmatz-Affäre offenbar zu bereinigen trachtet, indem Rebhühner, Kormorane, Wanderfalken und Goldregenpfeifer kurzerhand zu Stadttauben, Martinsgänsen und Spatzen erklärt werden, erinnert sich der Cineast und sicher auch der weise Uhu an Hitchcocks „Vö-gel“. Die Natur läßt nicht mit sich spaßen und selbst die liebenswerte Amsel kann im Dutzend herzhaft grausam sein!

Ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß: Welche kirchlich getraute Leserin möchte nicht diese Inszenierung wiederholen und sei es auch nur, um bei der Neuauflage an passender Stelle ein schallendes „Nie wieder“ zu kichern? Zur 850-Jahrfeier der Schlafgemeinde Vorsfelde bei VW-Wolfsburg stellen sich morgen auf dem Sportplatz rund 1.000 Gold- und Silberbräute, Frischvermählte, Geschiedene und Witwen im vollen Schmuck ihres Hochzeitkleides der Jury eines Brautwettbewerbs: Laut epd sind auch weiße Tüll-Engel aus Bremen beteiligt: Kann mir mal jemand ein Foto von dieser Fete für mein persönliches DADA-Archiv schicken?

Da soll doch ein Soldat aus Westerstede vor ein paar Tagen in Westerstede seinen Berufskollegen umgebracht haben und prompt mutmaßt die taz „Der Mörder war offenbar ein Soldat“. Wo bleibt da der Protest der Reservistenverbände gegen diese Verunglimpfung eines Sicherheitsproduzenten? Ist denn nach dem BGH-Urteil in Sachen Tucholsky alles erlaubt?

Schon vor Wochen erging an dieser Stelle die Aufforderung an uns Uwe Uwe Seeler, sich beim HSV in die präsidiale Pflicht nehmen zu lassen. Nun hat der ewige Ehrenspielführer unser Bitten erhört und so werden wir ihn bald wohl regelmäßig im Aktuellen Sportstudio mit seinem typischen Verlegenheitsgriff an den Schritt erleben können. RAIDER heißt ja sowieso schon TWIX.

Kurz vor der internationalen Automobilausstellung in Frankfurt häufen sich in den Redaktionen die Einladungen in die VIP-Lounges, Suiten und Salons der Hersteller von Rollschrott zum Entspannen vom und Erfrischen für den Messetrubel. Verantwortlich sind dafür neben halbnackerten Mädels (heuer vorzugsweise im Metallic-Look) und kühlen Getränken die Herren von der Öffentlichkeitsarbeit. Die heißen beispielsweise ganz in echt Bierdämpfl („Mike“). Rippelmeyer („dat Kläuschen“) oder Wüsten („Tommy“). Wir ahnen schon, wie die aussehen, kennen ihre bevorzugte Klolektüre und wissen vor allem, daß auch sie über Gartenzwerge zu spotten wissen, daß die „so kitschig sind, daß es fast schon wieder schön ist“. Mit Pfeife im altölgetränkten Maul, die nach Feierabend mit der Klarinette inner Dixieband vertauscht wird. Wem würde dies nicht alles sagen?

Ulrich Reineking etc.

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