piwik no script img

■ Urdrüs wahre KolumneAlles Lernen, nichts vergessen!

Ein Autohasser macht derzeit in Nordrhein-Westfalen von sich reden, indem er fußgängerbehindernd geparkte Fahrzeuge mit Speisequark bewirft. Hier durch eine großzügige Materialspende als Sponsor aufzutreten, könnte der Molkerei Bremerland einen festen Platz in meinem Herzen sichern. Alle Chancen darauf verspielt hat indessen der Liberalinski Möllemann mit seinem Vorschlag, seitens der NATO ein Kopfgeld von einer halben Milliarde Mark „für Ergreifung oder Ausschaltung von Slobodan Milosevic auszusetzen“. Selten wurde das globale Mißverständnis der Lage am Balkan so schlicht auf den Punkt gebracht wie von diesem Tütenkaspar der Rüstungswirtschaft.

Der Kirchentagsbesucher Henning Scherf und die Offi-zierscasino-Type jetzt gemeinsam Hand in Hand bei der weiteren Demontage des Staatsbürgerschaftsrechts: Diese Grunzwerte-Gemeinschaft zementiert zwar meinen bereits mehrfach geäußerten Verdacht auf eine von sexueller Hörigkeit geprägten Beziehung zwischen diesen Herzbuben, könnte aber auch meinem sozialdemokratischen Nachbarn Erwin Recht geben, der die Frage aufwarf: „Mit was die Schwarzen den Henning wohl erpressen? Soll er doch einfach offen und ehrlich sagen, was er gemacht hat, wir sind doch Sozialdemokraten und keine Betschwestern, wir ham doch immer für alles Verständnis gehabt!“ Wir wär's mit einer Lebensbeichte ganz unter uns bei Pastor Jürgen Fliege? (Sollten die Christdemokraten über geheime Dokumente verfügen, die finanzielle Fragwürdigkeiten in der Konfitürenkasse der Schwartauer Frühstücksrunde belegen, so wäre ich bereit dieses Probleme durch ein Glas Erdbeermarmelade aus dem Schaumburgischen aus der Welt zu schaffen. Man hilft ja gern bei der Neuorientierung auf gute alte Werte.)

Über den geplanten NPD-Marsch zum „Tag der Arbeit“ sollte man sich nicht weiter aufregen, denn für just diese Tage hat der barfüßige Prophet und Inflationsheilige Muck bereits nach dem ersten Weltkrieg vorhergesagt: „Und sammeln werden sich die verderbten Söhne der neuen Rotte Korah in der großen Stadt des Nordens und die Erde wird sich auftun an diesem Tag im Mai und mit Feuer verschlingen, was sich da bewegt!“ Nur zu ...

Einstellung der ehrenamtlichen Rechtsberatung in der bremischen Abschiebehaft: Das mag ja als demonstrativer Schritt ganz witzig sein, überläßt die Betroffenen aber noch stärker ihrer Situation. Und dürfte daher ganz im Sinne der Ausländeramtsleiter dieser fremdenfeindlichen Welt sein, die schließlich in einigen Monaten wieder jede Menge zu tun haben, wenn es um die Abschiebung der Kosovo-Albaner geht. Wenn aus bedauernswerten Flüchtlingen wieder kriminelle Hütchenspieler, Drogenhändler und Illegale aus sicheren Drittländern werden und die UtscheKa als Polizeidienststelle der Standortverwaltung im Protektorat Balkan fungiert, sprechen wir uns wieder!

Noch gibt es sie, die Kneipen, die über eine echte Musikbox verfügen und jedem Gast die Chance geben, für ein paar Mark die Atmosphäre der gastlichen Stätte entscheidend zu prägen. Wie dieser junge Mann da, der nun zum sechsten oder siebten Mal „Yesterday“ erklingen läßt und in sanft alkoholisierter Friedfertigkeit mit John Lennon (war das nicht McCartney? Anm. der Red.) gemeinsam singt: „Love was such an easy game to play.“ Anschließend stellt er dann seine als Mikrofonattrappe genutzte Beck's-Bierflasche auf den Tresen und seufzt melancholisch: „Den haben die Schweine einfach umgebracht, den Lennon. Aber es gibt noch eine Gerechtigkeit. Da muß noch was kommen.“ Diese Haltung macht Mut, greift sie doch die proletarisch-philosophische Haltung auf, die einst Karl Liebknecht formulieren ließ: „Die Feinde des Volkes rechnen mit der Vergeßlichkeit der Massen –wir setzen dieser Spekulation entgegen: Alles lernen! Nichts vergessen!“ Soviel zur Erinnerung an den 80. Jahrestag der Ermordung des großen Revolutionärs Emiliano Zapata, der fast auf den Tag genau mit dem zwanzigjährigen Bestehen der taz zusammenfällt!

Jetzt geht der Zirkus richtig los: Hinweise auf einen gut erhaltenen und dabei doch fast geschenkten Zirkus- oder Bauwagen nimmt unter 05751/95 84 93 dankbar entgegen

Ulrich „Pappnas“ Reineking

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen