■ Urdrüs wahre Kolumme: Rettet Onkelt Dittmeyer!
„Hier original Berliner Weiße mit Schuss“ – so lädt eine Kreidetafel den Spaziergänger ins stadtnahe Wirtshaus ein, und angesichts der schwülen Witterung erscheint mir dieses Angebot durchaus als Verheißung. Hinein also – und der Gastraum deprimierend leer. Der Wirt ist hinterm Tresen mit sich und einem Schwarz-Weiß-Minifernseher allein und verfolgt irgendeine Nachmittagstalkshow, während auf einem riesigen Bildschirm an der Wand eine Live-Übertragung von der Tour de France in erheblicher Lautstärke läuft. Einigermaßen wortkarg reicht mir der Gastronom das alkoholarme Erfrischungsgetränk, als ich ihn fragen kann, warum denn um alles in der Welt das radsportliche Programm in solch ohrenbetäubender Akustik geboten würde. „Das wollen meine Stammgäste so!“, erläutert der bis zu meinem Eintreffen einsam und allein answesende Kneipier.
Als ich eine Viertelstunde, beziehungsweise eine Bildzeitungslektüre später das Lokal verlasse, ist der Laden immer noch frei von Publikum, die internationalen Sportidioten rasen auf der Glotze immer noch die Berge hoch und plötzlich kommt mir der Gedanke: Dieser Kleinunternehmer lässt seine Analysen des Marktes und seiner Kunden womöglich bei der gleichen Bude machen, bei der sich die Bremer Verwaltung in Sachen Mjusical und Space-Park beraten lässt. Und das Publikum glotzt stumm/rings um den Vulkan herum...
Seit' an Seit' mit Meister Propper protestiere ich gegen das Verbot der Slam Poetry Masters in den Wallanlagen durch den kommunalen Eigenbetrieb Stadtgrün, wollte ich doch bei dieser Gelegenheit selbst ein Gedicht auf den universellen Kaufmann Klauspeterle Schulenberg unter dem Titel „Mit dem Arsch von Jürgen Drews“ vortragen. Nicht so recht folgen kann ich allerdings dem werten Günter Kahrs mit seinem strunzblöden Bürgerantrag an das Ortsamt für mehr Parkplätze im Viertel und protestiere als Ehrenmitglied des Vereins für Lebensfreude und DADA ausdrücklich dagegen, dass solche ADAC-Propaganda im Namen dieser traditionsreichen Vereinigung betrieben wurde. Merke: Wo Blech, da Todessehnsucht. Und wo Daimler, dort kein Schwitters', kein Groucho-Marxismus und nicht einmal Heinz Erhardt oder Trude Herr!
Soso, ein Bremer Polizist will zwei Banküberfälle begangen haben und das auch noch im Landkreis Diepholz. Tja – mit solchen Taten prahlen kann jeder, das soll er uns erst mal beweisen, der Herr Polizist. Am Ende war's ja auch nur eine Trockenübung im Seminar „Va Banque“ der Polizeigewerkschaft!
Onkel Dittmeyer vor der Pleite? Nie mehr Valensina? Und aus Bremen schon gar nicht? Das darf nicht sein! Sofern der morgige Samstag nicht schon als Internationaler Tag des Doppelkorns, des Schlammpeitzgers oder des Ehrenamts geadelt wurde, bitte ich doch, diesen als Saft-Tag zu begehen – und hoffe doch sehr, dass sich die Band „Angefahrene Schulkinder“ aus Osnabrück noch einmal für ein Benefiz-Konzert zugunsten von Ralf H. Dittmeyer reaktivieren lässt. Wer ja via Werbefernsehen in die seelenvollen Fruchtfleisch-Augen dieses Patriachen blicken durfte, der weiß auch, wie er das Herz des großen Kindskopp Uwe Beckmeyer und dazu das halbe Königreich im Hafen gewinnen konnte. Natural Born Sympathy...
Beim „Tag der Fans“ strömten immerhin 5.000 Menschen zum Weserstadion, um die Werder-Kicker nach der Pleite von Gent zu trösten, zu herzen und zu kosen. Diese Beziehung der Massen zu ihren Heiligen durch PREMIERE-Abozwang, Sitzplatz-Zwang und andere Koofmich-Diktate zu belasten, dieses Verbrechen wird zum Stein werden, der auf jene zurückfallen wird, die ihn erhoben haben. Meint auch vorm Hintergrund der liebenswerten und heißblüten Aktionen gegen G 8-Gipfel und anderen Schweinskram und in alter Treue zu den ruhmreichen Kickern der Reserve des Eisenbahnersportvereins Blau-Weiß in Findorff
Urlich „pro Bahn“ Reineking
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