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■ UrDrüs wahre KolumneNulltarif für's Tretboot

Beim sogenannten Viertelfest konnte selbst die wunderbare Stimme von Katherina (vormals „Die Mädchen“) kaum über den Apothekerpreis von fünfundvierzig Groschen fürs schlecht gefüllte und gezapfte Nulldrei Schankbier nicht hinwegtrösten, aber immerhin erfreute ein anonymer Berliner Volkskünstler mich an einem Verkaufsstand für fettiges Grillgut mit eben diesen Worten: „Jemse mir mal totet Tier im Darm. Jut durch mit schwarzem Trauerrand und Mostrich!“ Die Bestellung wurde selbstredend von der Dame am Rost nicht ohne weiteres verstanden und gab dem mutmaßlichen Bürger Charlottenburgs Gelegenheit zur souveränen Erläuterung: „Kennta nich, wa? Najut, denn eem ne Wurst auffe Pappe!“

Ob dieser Herr zum Öffentlichen Gelöbnis der Scharping-Buben wieder in Berlin war? Dann ja wohl hoffentlich auf Seiten jener Widerstandskämpfer, die den obszönen Akt neudeutscher Gemeinsamkeit heldenhaft mit Radau begleiteten: Wenigstens das dürfte die dort immer noch herumspukenden bösen Geister von Freisler, Goebbels und Göring ein bißchen in ihrer Freude beeinträchtigt haben. In der Freude darüber, daß Soldatenpack die Beine unter grünen Sozialdemokröten so zackig durch die Gegend wirft wie einst zu Preußens Gloria und der sture Blick der stillgestandenen Kameraden zu schnarrendem Offiziersgebölk immer noch sobar jeder menschlichen Regung ist wie damals beim Appell von Verdun. Wer dem Ekel über diese Zeremonie auch nach zwei, drei Wiederholungen der TV-Aufzeichnungen standhalten konnte, ist für natürliche Brechmittel auf immer verloren!

So ganz kann ich die Aufregung um die vermeintliche Opus-Dei-Mitgliedschaft des künftigen Intendanten des Heimatsenders nicht verstehen. Warum darf ein Mann denn keine Strapse tragen und es sich nicht ein bißchen selbst mit der Rute besorgen? Mit Gummimaske und Kapuze kann er dann ja immer mal als Talk-Gast bei Bärbel Schäfer für die Öffentlich-Rechtlichen einspringen, wenn der Melker aus Sottrum, der die Kühe liebt, wegen Maul- und Klauenseuche verhindert ist.

Glückwunsch, daß auch Ronald-Mike Neumeyer seinen Weg gefunden hat, um dem Absturz in die Sozialhilfe zu entgehen. Muß ein christdemokratischer Ex-Fraktionschef aber dadurch gedemütigt werden, daß man ihn bei einem Unternehmen unterbringt, das „swb Enordia“ heißt? Das klingt ja nun wirklich ganz heftig nach Scheinfirma für die berufliche Rehabilitation kaufmännischer Angestellter nach ein paar Jahren Aus-Zeit als Werber für eine gewissenlose Jugendsekte. Guru Neumann ist eben auch bei Wohltaten immer noch für hinterfotziges Nachtreten gut!

Die Wissenschaft hat festgestellt, daß Marmelade Fett enthält. Und Wirtschaftssenator Joseg Hattig sieht die Platzauslastung des bremischen Staats-Musicals „Jekyll & Hyde“ bei 81,6 Prozent. Niemand aber fragt, was solche Statistiken kosten. Und niemand will wissen, was all die Statisten kosten, die zur Stabilisierung dieser Wunschtraum-Quote in die halbleeren Reihen dirigiert werden. Schon die Organisation dieser Übung in den besten Traditionen eines Potemkin dürfte teurer sein als beispielsweise die Einführung des Nulltarifs für Tretbootfahrten auf dem Emmasee.

Heftig beworben wird derzeit im privaten Lokalsender meiner Wahl eine schweinische Spezialität namens Lippischer Kötterschinken, indem irgendwelche Hörer diese Bezeichnung luschtigen Moderatoren ins Mikro nachplappern. Daß sich endlich mal ein Weserbergland-Urlauber aus Sachsen an der Aktion beteiligt, hofft Tag für Tag, doch bislang vergebens

Ulrich „Gaddafi“ Reineking

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