■ UrDrüs wahre Kolumne: „Supisupisuper!“
Mit dreijähriger Verspätung belehrte das Oberverwaltungsgericht jetzt die Bremer Polizei, daß ihr Vorgehen bei den Chaostagen 1996 zum Teil gesetzeswidrig war: Dem unschuldig Inhaftierten nutzt das natürlich nicht mehr, aber das Schamgefühl der Verantwortlichen wird die Entscheidung ja wohl noch erreichen. Wundernse sich also nicht, wenn Sie dieser Tage irgendwo den Ex-Senator Ralf Borttscheller in einer Ecke stehend beobachten – als Gentleman pinkelt er dort nicht etwa hin, sondern er schämt sich nur. Und ohne Scham bekanntlich keine Zivilisation!
Nicht Andreas Lojewski, sondern Hartmut „Flomi“ Frensel soll nach dessen eigener Aussage jetzt „wichtigster Mann der AfB“ in Bremen sein. Ja, weiß er denn nicht, daß der Erbe auch immer die Verpflichtungen des Erblassers übernimmt? Nach wie vor warte ich auf Begleichung der Wettschulden des jetzigen Sylter Ferienwohnungsverwalters, die mit dem Ausgang der Bürgerschaftswahlen fällig wurden. Immerhin steht eine größere Menge Bier aus, wobei ausdrücklich vereinbart wurde, daß es sich dabei nicht um Holsten handeln darf. Genehm wäre das Abtragen der kollektiven Ehrenschuld im Lustigen Schuster oder auch im Utbremer Stübchen – sollte in beiden Lokalen Hausverbot bestehen, betrachte ich die Angelegenheit auch durch ein Fäßchen als erledigt.
Eine Verbindung nach Gifhorn erfragt der womöglich 90jährige Lebemann mit großem Strohhut und einem Safarianzug im Reisezentrum der Bahn. Die erhaltene Auskunft kann ihn nicht befriedigen: „Zweimal umsteigen, was issen das! Bremen ist ja wohl ein richtiges Kuhdorf. Dann fahr ich eben mit dem Auto.“ Aber: Ob die Kursbuchplaner von solchen Drohungen je erfahren werden?
Hannover ist eine Stadt, die das Böse offenbar magisch anzieht: Das gilt für Cebit und Industriemesse ebenso wie für EXPO, Scorpions und Heinz-Rudolf Kunze. Und in der dortigen Kinderabteilung von C&A begegnet mir jetzt an der Hand seiner ziemlich gewerbsmäßig im Barbie-Bizarre-Look daherkommenden Mutter ein wuscheliger Knabe, dessen nato-olivfarbenes Jäckchen mit dem Stoffabzeichen UCK geziert ist. Wenn jetzt noch der berühmte taz-Kriegsberichterstatter Erich Rathfelder um die Ecke gekommen wäre – ich hätte mir als serbophiler Handke-Leser den Weg aus diesem kosovarischen Hinterhalt mit dem Kleiderbügel freigekämpft und nicht erst wie ein braver Bauer auf die Kfor gewartet.
Apropos Kunze! Sein blonder Kollege vom Kampfhundzüchterverband, der Naddel-Halter Dieter Bohlen, wurde ja jetzt von seinem eigenen Köter so kräftig gebissen, daß er alle Auftritte vorerst absagen mußte. Eine Tat, die fast alle von der höheren Sinnstiftung des Hundebesitzes überzeugen könnte.
Tiefer Respekt vor allem Gedruckten (sieht man mal ab von der ADAC-Mitgliederzeitung und der grottenschlechten Kinderseite des Weser-Kuriers) verpflichtet mich, jeden irgendwo herumliegenden Werbezettel und jeden Flyer aufzunehmen und zumindest beiläufig zur Kenntnis zu nehmen: Die Einladung zur „Aids Dance Party“ in Hamburg mit dem DJ-Team Endzeit aber hätte man wohl besser übersehen ... – zumal wegen der werbenden Worte „needless to say: Die Stimmung wird supisupisuper!“
Es war vorhersehbar, daß aus den guten Balkan-Flüchtlingen nach Kriegsende ganz schnell kriminelle Hütchenspieler würden, deren sofortige Abschiebung dem dafür zuständigen Gesindel Herzensaufgabe ist. Wie aber die Schergen in Bremerhaven nun den Verfolgten noch einen Strick aus der Tatsache drehen wollen, daß auf der Flucht nicht jede Aus- und Einreiseformalität beachtet wurde, das ist in der Tat ein Schurkenstück, das nach sofortiger Abstrafung durch Blitzschlag, Sturmflut oder Dienstverpflichtung zum Survivaltraining im Schweizer Gebirgsbach verlangt.
Und schließen wir unsere heutige Bußpredigt mit diesem Wort zum Sonntag vom Propheten Curt Goetz: „Die Zeit ist eine große Lehrerin. Schade nur, daß sie ihre Schüler umbringt.“
Ulrich „Eisenbahner“ Reineking
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen