Unterm Strich:
Der Wagner-Tenor Stephen Gould bedauert, dass es in der Oper zunehmend um die Optik der Sänger gehe. Aber für große Rollen wie etwa den Siegfried im Vierteiler „Der Ring des Nibelungen“ müsse man ein gewisses Alter erreicht haben. „Leider versucht der Opernbetrieb aber immer wieder, junge Leute zu pushen. Es wird auch immer wichtiger, wie man aussieht, insbesondere für die HD-Aufnahmen fürs Kino“, sagte der 54-Jährige dem Nordbayerischen Kurier. Gould steht derzeit bei den Bayreuther Festspielen als Tristan in „Tristan und Isolde“ auf der Bühne.
„Viele junge Sänger singen die Partien zu früh“, sagte der US-Amerikaner. „Sie haben zwar scheinbar die Stimme dafür, aber es gibt keinen 28-jährigen Siegfried. Wenn einer mit 28 den Siegfried singt, ist eines klar: Er wird ihn mit 40 nicht mehr singen.“ Es sei aber grundsätzlich ein Problem, dass Siegfried in der gleichnamigen Oper von Richard Wagner ein jugendlicher Held von 15 oder 16 sein soll. „Er sollte einen schönen Brad-Pitt-Body haben mit blonden Haaren und blauen Augen. Okay – das ist schön. Aber das geht nicht.“
Eine Lösung für das Problem, dass 50-jährige Herren 16-jährige Jünglinge mimen, könnte Welbeck Estate im Sherwood Forest in Nottinghamshire bieten. Der fünfte Herzog von Portland, der dort Mitte des 19. Jahrhunderts residierte, fand es so unerträglich, seinen Untergebenen zu begegnen, dass er unter seinem Herrenhaus für den täglichen Verkehr ein weitläufiges unterirdisches Tunnelsystem schuf.
Zum Bau des einmaligen Komplexes setzte der Adelige dieselben irischen Arbeiter ein, die in London das erste U-Bahnnetz der Welt erbauten. Das zwischen beachtlichen 10 und 15 Kilometer lange Tunnelsystem unter dem Welbeck Estate im Sherwood Forest in Nottinghamshire fasziniert bis heute Historiker und Architekten.
Zwar ist bekannt, dass besonders der englische Adel traditionell für eine räumliche und physische Trennung von Personal und Herrscherfamilie eintrat. Aber das Vorgehen des Herzogs von Portland, der von 1800 bis 1879 lebte, gilt dennoch als extrem. Er realisierte damit, sagt Stephan Trüby, Professor für Architektur und Kulturtheorie an der Technischen Universität München, die „Untergrundversion des englischen Landschaftsgartens“.
Juwel im Untergrund ist nach Angaben Trübys, der das Tunnelnetz besichtigen konnte, ein riesiger glitzernder Ballsaal mit einem Dach aus Glas und Stahl, in dem zu Lebzeiten des Herzogs allerdings niemals getanzt wurde. Das wird sich nicht ändern, immerhin ist das aus dem 15. Jahrhundert stammende Herrenhaus von Welbeck, Welbeck Abbey, aber bis 30. August für Besucher geöffnet.
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