: Ungarn: Präsidentenwahl verschoben
■ In Volksabstimmung soll über neuen Wahltermin entschieden werden / Zeitgewinn für Opposition
Budapest (afp/dpa/taz) - Das ungarische Parlament hat sich gestern mit großer Mehrheit für eine Volksabstimmung über die Wahl des Staatspräsidenten ausgesprochen. 294 Abgeordnete sprachen sich für das Referendum aus, nur sieben votierten dagegen. Ursprünglich war geplant, am 26. November in Direktwahl den Staatspräsidenten zu bestellen. Jetzt sind die ungarischen WählerInnen an diesem Tag aufgerufen zu entscheiden, ob die Präsidentschaftswahl vor oder nach den Parlamentswahlen stattfinden soll, die für das kommende Frühjahr vorgesehen sind. Wenn, wie erwartet, die Mehrheit der Bevölkerung für die erste Lösung stimmt, soll die Wahl im Januar stattfinden.
Die Initiative für die Volksabstimmung ging von dem oppositionellen „Bund Freier Demokraten“ aus. Die Gruppe trat dafür ein, die Wahl des Staatspräsidenten erst nach den für das Frühjahr geplanten Parlamentswahlen anzuberaumen. Nach der neuen ungarischen Verfassung darf der Staatspräsident nach den Parlamentswahlen jedoch nur durch das neue Parlament bestellt werden. Eine Direktwahl des Staatspräsidenten durch die WählerInnen ist daher nur vor den Parlamentswahlen möglich.
Der „Bund Freier Demokraten“, der mehr als 110.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung gesammelt hatte, wollte durch die Verschiebung Zeit gewinnen, um sich profilieren zu können. Zur Zeit aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten ist der radikale Reformpolitiker Staatsminister Imre Pozsgay, den die neugegründete Ungarische Sozialistische Partei (USP) aufgestellt hat. Insgesamt wurden bisher fünf Kandidaten nominiert.
Die Abgeordneten legten als möglichen späteren Wahltermin den 7. Januar fest. Ein eventueller zweiter Wahlgang würde am 14. Januar stattfinden.
Auch eine Debatte über das stalinistische Mammutprojekt eines Donaustaudamms stand gestern auf der Tagesordnung des ungarischen Parlaments. Bei Redaktionsschluß war das Abstimmungsergebnis noch nicht bekannt. Nach jahrelangen Protesten von UmweltschützerInnen gegen das umstrittene ungarisch-tschechoslowakische Gemeinschaftsprojekt, hatte die ungarische Regierung bereits im Mai die Bauarbeiten unterbrochen. Die Prager Regierung kündigte bereits Schadenersatzforderungen an.
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