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Unfallfahrer vor GerichtBrandenburger Tod

Sechs Männer, ein Passat: In Oranienburg wurde ein 22-Jähriger wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

"Winseln soll er!", zischt es aus dem Zuschauerraum, als das Urteil gesprochen wird. "Flehen soll er, die Drecksau!" Winseln und flehen soll Andreas S. Vier Menschen hat er auf dem Gewissen, vier Jugendliche, die an einem Alleebaum den Brandenburger Tod gefunden haben, wie man in der Mark so sagt. S. fuhr am 13. Januar 2007 das Unfallauto, er war betrunken, er hatte keinen Führerschein, er war auf Bewährung frei. Drei Jahre Haft lautet das Urteil, ohne Bewährung.

17, 19, 21 und 29 Jahre alt waren die Toten von der Landstraße. Deren Angehörige - Eltern, Geschwister, Freunde - sind ins Amtsgericht Oranienburg gekommen, um dabei zu sein, wenn Andreas S., "die Drecksau", verurteilt wird. Zufrieden wird sie das Urteil des Schöffengerichts nicht stellen.

Der Fall ist so banal wir folgenschwer. In jener Januarnacht feierten in einer Hennigsdorfer Einraumwohnung zahllose Menschen den 19. Geburtstag von Tobias V. - es sollten die letzten Stunden seines Lebens sein. Was da auf 20 Quadratmetern los war, schildert die Zeugin Gina Z. "War jut wat los", sagt sie. Irgendwann war die Polizei da, "wegen Ruhestörung und rechtsextremer Musik". Gegen Morgen habe sie sich vom Angeklagten verabschiedet: "Coole Party."

Der und fünf andere wollten weiterfeiern, in der Disko im Nachbardorf. Andreas S. setzte sich mit 1,48 Promille ans Steuer, die anderen zwängten sich in den VW-Passat - sechs spaßgeile Jungmänner auf dem Weg in die Nacht. Bei erlaubten 80 Stundenkilometern raste S. mit 120 über die Allee. Als er in einer Kurve gegenlenkte, drehte sich der Wagen und knallte gegen einen Baum. Die vier auf dem Rücksitz waren sofort tot. Fahrer und Beifahrer überlebten.

Was der Dekra-Sachverständige zu Protokoll zu gibt, ist nur schwer zu verkraften. Die Mütter der Toten kauern neben ihren Anwälten, sie kneten Taschentücher. Als der Gutachter von "Einblutungen im Dachbereich" spricht, von der "trägen Masse", die die Toten darstellten, laufen bei ihnen die Tränen. Es waren ihre Kinder - verantwortungslos, besoffen, ja. Aber: ihre Jungs. Alle tot.

Ihnen gegenüber sitzt der Angeklagte. Andreas S. weint. Der bullige 22-Jährige hat am ersten Verhandlungstag eine Erklärung verlesen lassen: Es tue ihm alles schrecklich leid. Vertreten wird er von dem Anwalt Wolfram Nahrath, dem früheren Bundeschef der inzwischen verbotenen neonazistischen Wiking-Jugend. Der verdreht die Augen, als das Gericht aus dem Vorstrafenregister des Angeklagten unter anderem verliest, dass sein Mandant zur Tatzeit unter Bewährungsauflagen wegen gefährlicher Körperverletzung stand: S. hatte einen Ausländer durch die Kleinstadt gejagt.

In seinem Plädoyer argumentiert Nahrath, die Toten hätten "möglicherweise ins Unfallgeschehen eingewilligt", einer hätte seinem Mandanten den Schlüssel aus der Hand nehmen müssen. Im Zuschauerraum stöhnt jemand auf vor Wut.

Andreas S. wohnt bis zum Antritt seiner Haftstrafe weiter in Hennigsdorf.

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