: Unerträglicher Kultur-Oligarch
betr.: „‚Kultur lebt von Veränderung‘“ (Interview mit Martin Heller), taz bremen vom 21.07.2005
(…) Zunehmend unerträglich wird der Habitus des eidgenössischen Kulturunternehmers Heller, welcher sich aufschwingt, allein und ohne politischen Diskurs die Leitlinien der öffentlichen Kulturförderung definieren zu wollen. Den Vergabeausschuss, ein Gremium, welches über 8,6 Millionen Euro Zuwendungen aus den öffentlichen Haushalten hätte entscheiden sollen, und dabei maximal indirekt demokratisch legitimiert gewesen ist, als vorbildliche Institution zu preisen, lässt zumindestens eine für einen Schweizer unübliche Ferne zur demokratischen Entscheidungsfindung feststellen. Der Kulturverwaltung und deputation „Nepotismus“ zu unterstellen und gleichzeitig als Gegenstrategie rationale Diskussionsrunden in kleinen Kreisen zu fordern, zeigt, worum es Herrn Heller mit der Stadtwerkstatt in Wirklichkeit geht. Bei der zukünftigen öffentlichen Kulturförderung soll eine demokratische Legitimation entfallen, allein der Geschmack weniger, sich als kulturelle Elite verstehender, soll Schiedsrichter im Ideenwettbewerb werden. Herr Heller möchte gerne kultureller Oligarch in unserer Stadtrepublik sein.
Zu diesem autokratischen Elitebewusstsein passt der substanzlose Angriff auf die Volkshochschule und die Stadtbibliothek. Beiden mit der kulturellen Breitenversorgung beschäftigten Einrichtungen eine rückständige Programmatik und Betulichkeit vorzuwerfen, zeugt zum einen von einem fast unerträglichen Informationsdefizit, zum anderen aber auch von einer zynischen Distanz zu kulturellen Basisbedürfnissen. In Zeiten schwerer wirtschaftlicher und sozialer Verwerfungen ist es prioritäre staatliche Aufgabe in der Kulturförderung, den erschwinglichen Zugang zu Büchern und zu Bildungsangeboten zu gewährleisten. Heller ist Apologet eines neoliberalen elitären Kulturverständnisses, in welchem Wettbewerb, Mäzenatentum, Kurzfristprojekte und Stadtentwicklungsgesellschaften die entscheidende Rolle spielen. Dieses ist nicht mein Weltbild und ich bedaure meine Zustimmung in der Kulturdeputation zur Freigabe der Stadtwerkstattmittel und der weiteren Verbindung Bremens mit Herrn Heller. BJÖRN TSCHÖPE, Bremen, SPD-Kulturdeputierter