Umweltdesaster im Golf von Mexiko: "Top Kill" gegen die Ölpest
Laut Ölmulti BP verläuft der Versuch, die unkontrolliert sprudelnde Ölquelle mit einer Schlammkanone zu verschließen, bisher "nach Plan". Greenpeace warnt vor ähnlichen Katastrophen in der Nordsee.
NEW ORLEANS/FRANKFURT afp/dpa | Der britische Ölkonzern BP macht offenbar Fortschritte bei dem Versuch, das beschädigte Bohrloch im Golf von Mexiko mit einer Art Schlammkanone zu verschließen. Der "Top Kill" genannte Einsatz verlaufe "nach Plan", sagte BP-Geschäftsführer Doug Suttles am Mittwoch. Durch die verheerende Ölpest sind bereits mehr als 160 Kilometer Küste im US-Bundesstaat Louisiana verseucht worden.
BP hatte am Mittwoch begonnen, mit Hilfe von Unterwasser-Robotern unter hohem Druck Schlamm in die unkontrolliert sprudelnde Ölquelle zu pumpen. Gelingt es, den Ölfluss einzudämmen, soll das Loch in 1500 Metern Tiefe mit Zement komplett versiegelt werden. Zuvor hatte der US-Küstenschutz grünes Licht für den "Top Kill"-Einsatz gegeben, die Methode wurde allerdings noch nie in einer solchen Tiefe ausgeführt. BP-Chef Tony Hayward rechnete damit, dass die Prozedur zwei Tage dauern könnte. Die Erfolgschancen schätzte er auf 60 bis 70 Prozent.
Seit der Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" Ende April strömen täglich hunderttausende Liter Öl ins Meer. BP war bereits mit mehreren Versuchen gescheitert, die lecke Ölquelle zu verschließen. Das Unternehmen hatte unter anderem probiert, eine riesige Stahlglocke über das Bohrloch zu stülpen.
Nach Angaben des Weißen Hauses wird US-Präsident Barack Obama über den Verlauf von "Top Kill" ständig auf dem Laufenden gehalten. Sprecher Bill Burton sagte, Obama sei "sehr frustiert", dass BP die Abdichtung des Lecks noch immer nicht gelungen sei. Obama hatte angekündigt, sich am Freitag erneut persönlich ein Bild von der Lage zu machen und für einen Kurzbesuch nach Louisiana zu reisen. Bereits Anfang Mai war der Präsident in den Bundesstaat gefahren, damals hatte der Ölteppich die Küste allerdings noch nicht erreicht.
Mittlerweile seien bereits mehr als 160 Kilometer Küste in Louisiana verseucht, sagte der Gouverneur des Bundesstaates, Bobby Jindal, am Mittwoch. Das sei mehr als doppelt so viel wie bisher befürchtet. Jindal forderte die Regierung in Washington auf, grünes Licht für einen Rettungsplan für das Marschland von Louisiana zu geben. In den Sumpfgebieten haben viele Vogel- und Fischarten ihre Brutgebiete. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte Jindal. Auch an den Bundesstaaten Mississippi und Alabama wurde bereits Ölschlick angeschwemmt. Als nächstes könnten die Strände von Florida betroffen sein.
Obama will am Donnerstag schärfere Regeln für Offshore-Bohrungen ankündigen. Zuvor hatte bereits Innenminister Ken Salazar gesagt, es gebe "bedeutende" Möglichkeiten, die Sicherheit von Öl- und Gasprojekten auf dem Meer zu verbessern. "Das ist der Weg, den wir einschlagen sollten", sagte Salazar am Mittwoch vor Parlamentariern in Washington.
Das US-Repräsentantenhaus gedachte unterdessen der elf Arbeiter, die bei der Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" am 20. April ihr Leben gelassen hatten. Die Abgeordneten votierten einstimmig für eine Resolution, die den "tragischen Verlust" der Arbeiter beklagt und den Familien der Opfer ihr Beileid ausspricht. Zwei Tage nach der Explosion war die Bohrinsel gesunken.
Auch die Öl- und Gas-Plattformen in der Nordsee sind unfallgefährdet und für eine schleichende Verschmutzung der Nordsee verantwortlich. Dies ist das Ergebnis eines aktuellen Greenpeace-Beobachtungsfluges. An fünf Nordsee-Plattformen haben Greenpeace-Experten große schwimmende Ölteppiche dokumentiert. Greenpeace kontrollierte 25 der rund 400 Förderanlagen in der Nordsee. Besonders risikoreich ist die Ölförderung des BP-Konzerns mit Förderschiffen westlich der Shetland-Inseln in über 400 Metern Wassertiefe. Wie die aktuelle Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko zeigt, sind die Risiken der Offshore-Ölförderung nicht kalkulierbar. so Greenpeace. Die Umweltorganisation fordert daher, dass keine neuen Genehmigungen zur Förderung von Öl und Gas in der Tiefsee erteilt werden.
"Eine Öl-Katastrophe wie im Golf von Mexiko kann sich auch in der Nordsee jederzeit ereignen", sagt Meeresbiologe Christian Bussau von Greenpeace. "Regelmäßig kommt es bereits zu Unfällen auf Ölplattformen. Schlimmer als die Unfälle sind jedoch die chronischen Ölverschmutzungen. Rund um die Uhr wird schon im Normalbetrieb Öl in die Nordsee eingeleitet."
Seit die Öl- und Gasreserven in der relativ flachen Nordsee nahezu erschöpft sind, dringen Ölkonzerne in immer größere Tiefen und arktische Regionen vor. Mit steigender Wassertiefe erhöht sich das Risiko von Unfällen. So pumpt BP mit riesigen Förderschiffen, so genannten FPSOs (Floating Production, Storage and Offloading), Öl aus über 400 Meter Wassertiefe. Die Schiffe sind durch flexible Steigleitungen mit dem Bohrloch verbunden. Am Meeresboden wird eine vergleichbare Technik mit Bohrlochköpfen (wellheads) und Sicherheitsventilen wie an der explodierten BP-Plattform im Golf von Mexiko verwendet.
"Falls es hier zu einem Unfall kommt, kann kein Mensch das Bohrloch erreichen", sagt Bussau. "Taucher können nur bis rund 200 Meter Tiefe arbeiten. Hier müsste, wie bisher erfolglos im Golf von Mexiko, mit unbemannten Unterwasser-Robotern operiert werden."
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