Umstrittener Preisträger Putin: Quadriga nichts für Menschenrechtler
Trotz Kritik hält das Quadriga-Kuratorium an Russlands Premier Putin als Preisträger fest. Nach Cem Özdemir trat nun ein weiteres Mitglied aus dem Gremium aus
BERLIN taz | Dem Kuratorium des Netzwerks Quadriga laufen die Mitglieder davon. Das Gremium hatte beschlossen, Wladimir Putin am Tag der deutschen Einheit für seine Verdienste um die deutsch-russischen Beziehungen auszuzeichnen. Der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum erklärte nun seinen Rückzug aus dem Gremium. Zuvor war bereits Grünen-Chef Cem Özdemir unter Protest ausgetreten.
Eigentlich sollten die Preisträger der diesjährigen Quadriga erst im September bekannt gegeben werden, doch irgendwer hatte gepetzt. Seither ist eine öffentliche Diskussion entbrannt. Cem Özdemir erklärte nach Bekanntwerden der Nominierung Putins, gegen den russischen Premier gestimmt zu haben, da er ihn nicht in einer Reihe mit früheren Preisträgern wie Michail Gorbatschow, Bärbel Bohley und Vaclav Havel sieht.
Mit seiner öffentlichen Stellungnahme verletzte Özdemir das Gebot des Stillschweigens über das Abstimmungsverhalten, weshalb ihm andere Kuratoriumsmitglieder Indiskretion vorwerfen. Außerdem habe Özdemir den Preis schlichtweg falsch interpretiert. "Dieser Preis ist keine Auszeichnung für die Achtung der Menschenwürde", heißt es aus Kuratoriumskreisen. Auf der Internetseite der Preisverleiher heißt es hingegen, dass der Preis Menschen und Organisationen ehre, die ein Zeichen für Aufbruch, Pioniergeist und Erneuerung setzen und so Vorbilder für Deutschland sind.
Das Abstimmungsverhalten im Quadriga Netzwerk bezeichnet der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum als "skandalös". "Es ist nicht hinnehmbar, dass einzelne Mitglieder für Entscheidungen in Haftung genommen werden, an denen sie nicht beteiligt waren, über die sie nicht informiert worden sind und über die sie in der Presse erfuhren", begründet er seinen sofortigen Austritt aus dem Kuratorium.
Außer Özdemir und Wolfrum meldeten sich bisher nur wenige Kuratoriumsmitglieder zu Wort. Die Unternehmerin Margarita Mathiopoulos, der CDU-Politiker Philipp Mißfelder und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erklärten, bei der entscheidenden Sitzung nicht dabei gewesen zu sein. Alle drei hätten der Wahl Putins auch im Nachhinein nicht zugestimmt.
Aus Kuratoriumskreisen heißt es dazu, dass der russische Premier schon lange als möglicher Preisträger im Raum stand. Bereits im Oktober vergangenen Jahres hätte es ersten Treffen zu möglichen Kandidaten gegeben. Am 16. Februar stand dann die Wahl Putins fest, erfuhr die taz aus Kuratoriumskreisen. Alle Mitglieder - auch die bei den Treffen abwesenden - wären stets per Mail über den Fortgang der Entscheidungen unterrichtet worden und hätten somit zu jeder Zeit eingreifen können. Mittlerweile distanzieren sich aber immer mehr Kuratoriumsmitglieder von der Entscheidung.
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