Ulrike Winkelmann Ernsthaft?: Eine 162,5-Meter-Yacht, ein Oligarch und eine Abmahnung
Post vom Oligarchen! Also, Post von seinem Anwalt: Wir sollen unterzeichnen, dass wir bestimmte Dinge, den Oligarchen und ein paar Reichtümer betreffend, nicht mehr verbreiten. Sonst fünfstelligen Geldstrafe. Roman Abramowitsch, schreibt der Anwalt, sei nicht Eigentümer der „Eclipse“.
Das überrascht. Wir wollen hier derzeit also nicht behaupten, dass die „Eclipse“ Roman Arkadjewitsch Abramowitsch gehört. Doch finden sich viele Dutzend seriöse Quellen, angefangen bei Wikipedia, die dem Geschäftsmann mit mehreren Staatsangehörigkeiten, der mit russischem Öl sehr reich geworden ist, die 162,5 Meter lange Yacht zuschreiben. Die Megayacht News schreibt 2010: „It’s finally happening.“ Und weiter: „Nach drei Jahren Spekulation und Tratsch ist Eclipse, die größte Yacht der Welt, nur Tage von der Übergabe an Roman Abramowitsch entfernt.“ Das Bild dazu zeigt die „Eclipse“, wie sie das Dock von Blohm + Voss verlässt. Die Wirtschaftspresse liebt diese große Hamburger Werft sehr, so finden sich haufenweise Agenturmeldungen zu Blohm + Voss, Eclipse, Abramowitsch. Die New York Times beginnt 2011 ein detailliertes Stück zum Superyachten-Markt so: „Owned by the Russian billionaire Roman A. Abramovich, the aptly named Eclipse …“.
Nun ist die taz kein Yachten-Magazin. Doch hatten wir Abramowitsch und die Yacht 2021 erwähnt, weil eine Arbeit zweier US-WissenschaftlerInnen dazu erschienen war, dass Superreiche ein paar tausend Mal mehr CO2 ausstoßen als Nicht-so- oder Gar-nicht-Reiche, und Yachten spielen dabei eine herausragende Rolle. Auch die Linkspartei hatte Freude an dieser Erhebung und schrieb darüber, weshalb auch sie jetzt Post vom Anwalt bekam. Die Parteiführung geht recht selbstbewusst damit um. Jan van Aken lässt wissen: „Weil er auf der Sanktionsliste der EU steht“, vertusche und verleugne Abramowitsch Besitzstände, um die er offenbar fürchte.
2022 wurde Abramowitsch wegen des Ukrainekriegs mit Sanktionen behängt. Die „Eclipse“ wurde fortan nicht mehr in EU-Gewässern, sondern in der Türkei gesehen, zuletzt auf dem Weg nach Istanbul zur Überholung im Trockendock. Wie schnell man sich in diesen Yachten-Nachrichten festliest!
Zurück zur Linken: Die setzt drauf, dass Abramowitsch nicht ganz bis vor Gericht geht, um seinen Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Denn dort müsse er ja konkreter darüber Auskunft geben, was die Eigentumsverhältnisse (van Aken: „Schachtelkonstruktionen“) der ihm zugeschriebenen teuren Dinge sind. „Ich freue mich richtig auf diesen Prozess“, sagt van Aken.
Ulrike Winkelmann ist Chefredakteurin der taz
Abramowitschs Anwalt Joachim Steinhöfel mangelt es auch nicht an Selbstbewusstsein: Die Sanktionsbegründungen der EU beruhten vor allem auf Zeitungsartikeln oder Tweets, selbst solchen vom Bundeskriminalamt, die das Amt nach Abmahnung löschen musste, erzählt er: „Das ist leider die absurde, rechtsstaatswidrige Realität. Daher sind wir damit beauftragt, diese Berichte zu korrigieren.“ Bei über 100 Artikeln sei dies schon gelungen. „Die Strategie der EU, rechtstreue Privatpersonen durch Sanktionsdruck zu Erfüllungsgehilfen außenpolitischer Interessen instrumentalisieren zu wollen, ist ein lupenreiner Verstoß gegen das Demokratieprinzip.“ Die Sache sei ganz einfach, sagt Steinhöfel: „Die Yacht gehört einem Trust“, einer Vermögensverwaltung, an der sein Mandant keine Rechte habe. Ob Abramowitsch die Yacht ab und zu von diesem Trust miete, sei komplett seine Sache.
Jan van Aken, Linken-Chef
Ob sich bei der EU noch jemand Ehrgeiziges der Frage widmet, welcher Oligarch wie sanktioniert – und zwecks Aufbau der Ukraine möglicherweise entreichert werden kann? Ob man dabei auch an die Oligarchen-Familien denkt? Wir werden es weiter verfolgen dürfen.
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