Uli Hannemann Liebling der Massen: Tag der offenen Tür
Als ich aus meiner Wohnung ins Treppenhaus trete, kommen mir auf der Treppe zwei Polizisten und eine Polizistin entgegen. „Bleiben Sie stehen!“, ruft der vorderste, „zeigen Sie mir Ihre Hände! Was haben Sie da drin?“
Ich bleibe stehen und halte Mutti Staat die sauberen Hände hin – in der rechten habe ich noch die Wohnungsschlüssel. Erwähnen könnte ich vielleicht, dass die Bullen Stahlhelme, schusssichere Westen und Maschinenpistolen tragen.
Und zwar Mordswummen, und nicht diese kleinen Uzis, die wir bei der Bundeswehrmacht immer hinten auf den Gepäckträger geklemmt haben, und wenn man über einen Huppel fuhr, schossen sie plötzlich von selber los. Zum Glück Platzpatronen, war ja nur Manöver.„Ist Ihnen hier jemand mit einer Langwaffe in einer Sporttasche entgegengekommen?“, fragt mich nun der erste Polizist.
„Nein“, antworte ich wahrheitsgemäß. Im nächsten Moment frage ich mich jedoch, woher ich das hätte wissen sollen, selbst wenn mir jemand mit Sporttasche begegnet wäre. Der packt doch seinen Speer, oder was auch immer das für eine „Langwaffe“ ist, genau deshalb in die Tasche, damit man ihn eben nicht sieht. Knickknack, zwinkizwonki. Also ist die Frage Quatsch. Was lernen die eigentlich in ihrer Ausbildung?
Wir verhandeln kurz. Ich soll sofort hier weg. Entweder in meine Wohnung zurück oder aus dem Haus. Da ich eh raus wollte, entscheide ich mich für Letzteres.
Vorne an der Ecke stehen fünf Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht, und als ich mich noch einmal umdrehe, halten die Beamten mit den Riesenballermännern jetzt vor meiner offenen Haustür Wache. Wahrscheinlich sind die nur aus dem Grund gezielt in dieses Haus rein, weil es als Einziges offen steht, und sich daher einem flüchtigen Strolch als Schlupfloch anböte.
Das Schnellrestaurant hier im Haus lässt nämlich nach Lieferungen gern sämtliche Hoftüren sperrangelweit auf. Alles wird geklaut, Fahrräder, Post, und oft logieren tausend Obdachlose im Hausflur. Bestimmt ist die Adresse schon auf TripAdvisor gelistet. Einmal begegnete ich auf der Treppe einer Dame mit heruntergelassener Hose, die sich gerade eine Spritze in die Leiste setzte, und BioNTech war das nicht, das wird ja in den Arm geimpft.
Wegen dieser Kollateralscheiße mag ich das Restaurant nicht besonders. Durch den Lieferanteneingang gehen auch ständig Leute mit Salafistenbartmode ein und aus. Denen würde ich eine Langwaffe glatt zutrauen, oder zumindest eine Sporttasche mit Turnhose, Duschdas und Energy-Drink darin. Aber das sind blöde Stereotype – die haben mir schließlich nichts getan. Außer, dass sie stets die Haustür auflassen, das ist schon ärgerlich. Vielleicht sind sie ja auch bloß evangelisch, erinnert der Bart doch ebenso an einen Ostpfarrer. Man steckt einfach nicht drin.
Als ich zurückkomme, wachen die drei noch immer vor meinem Haus. Mir fällt jetzt erst auf, wie klein sie sind, oder es kommt mir nur so vor, weil sie so große Knarren haben.
Jedenfalls sieht das unfassbar niedlich aus – wie Kinder, die sich Salatschüsseln als Helme auf den Kopf gesetzt und Papas Jacke angezogen haben. Ich unterdrücke meinen Wunsch, jedem von ihnen ein Bonbon zu geben, und frage stattdessen, ob ich denn nun wieder reindürfe.
„Das geht leider nicht“, bedauert er. „Wir haben eine Maßnahme im Haus.“ Auf meine Frage nach deren Dauer funkt er kurz nach hinten: „Die Maßnahme liegt in ihren letzten Zügen.“
„Das ist ja schön“, sage ich, und übernehme seinen Amtssprech: „Dann warte ich hier mal auf das Ende der Maßnahme.“ Dazu setze ich mich an einen der Imbisstische draußen. So ist der Laden immerhin mal zu was gut.
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