Uiguren-Unruhen in China: Al-Qaida droht mit Rache
China bekommt die außenpolitischen Konsequenzen seiner Politik gegenüber den muslimischen Uiguren zu spüren. Besonders harsche Kritik kommt aus der Türkei.
Nach den schweren Unruhen zwischen Uiguren und Han-Chinesen in Nordwestchina, bei denen nach offiziellen Angaben mehr als 180 Menschen getötet wurden, wächst die Sorge um die Sicherheit von Chinesen in muslimischen Ländern. So hat ein Zweig des Terrornetzwerkes al-Qaida zur Rache für in Chinas Provinz Xinjiang getötete Muslime aufgerufen, berichte gestern die Hongkonger South China Morning Post.
Die Gruppe, die sich "al-Qaida im islamischen Maghreb" nennt, habe chinesische Arbeiter und Pekinger Bauprojekte im Nordwesten Afrikas im Visier. Die Information stammt von der Londoner Unternehmensberatung Stirling Assynt, die sich auf politische Risiken internationaler Geschäfte spezialisiert. In Algerien und anderen Staaten der Region bauen zehntausende Chinesen Straßen, Eisenbahnen, Kanäle sowie Wohn- und Geschäftsviertel.
Der Konflikt in Xinjiang hat auch außenpolitische Konsequenzen für China. Mit Zorn und Unverständnis reagieren Funktionäre und Medien auf Proteste gegen Chinas diplomatische Vertretungen. Besonders empört ist die Regierung über den türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan, der die die Gewalt in Ürümqi als "Völkermord" geißelte.
Chinas amtlich kontrollierte Zeitungen forderten ihn gestern auf, dies zurückzunehmen. Unter der Überschrift: "Türkei, noch eine Achse des Bösen?" bezichtigte das KP-Blatt Global Times die Türkei, sich in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen.
Die Uiguren sind ein Turkvolk, ihre Sprache ähnelt dem Türkischen. In der Türkei leben tausende Uiguren, die sich kulturell eng mit dem Land verbunden fühlen und traditionell gute Geschäftsbeziehungen pflegen. Erst vor wenigen Wochen hatten sich beide Regierungen um eine Annäherung bemüht. Der türkische Präsident Abdullah Gül besuchte im Mai Peking und Xinjiang und unterzeichnete Handelsverträge im Wert von 1,5 Milliarden Dollar.
In Ürümqi blieb die Lage gestern gespannt, nachdem die Polizei am Vortag zwei Uiguren erschossen und einen weiteren verletzt hatte. Nachdem die Behörden bei Razzien weit über tausend Menschen verhaftet haben, dürften bald die ersten Prozesse beginnen. Die Regierung kündigte harte Strafen an und mahnte Rechtsanwälte, sich zurückzuhalten, um die "Einheit des Landes" zu schützen. Laut Pekinger Rechtsamt müsse jeder Anwalt, der einen Fall im Zusammenhang mit den Unruhen von Ürümqi übernimmt, dies sofort den Justizbehörden melden und deren "Überwachung und Anleitung" akzeptieren.
Über hundert Autoren und Bürgerrechtler fordern in einem offenen Brief an die Regierung, den prominenten uigurischen Hochschullehrer Ilham Tohti freizulassen. Der Ökonom in Peking hatte sich auf seiner Webseite in den vergangenen Monaten zunehmend kritisch über die Regierungspolitik in Xinjiang geäußert. Er ist seit vergangener Woche verschwunden und wurde wahrscheinlich verhaftet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften