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Überzogene HoffnungenUnterschiedliche Spielkonzepte

China verändert sich - auch durch die olympischen Spiele in Peking. Doch der Systemwandel braucht Zeit. Zu erwarten war nicht, dass durch Olympia alles anders würde.

China präsentiert sich effektiv und organisiert. Bild: ap

Hartes Vorgehen gegen Bürgerrechtler, große Umweltprobleme und die Internetzensur haben kurz vor Beginn der Olympischen Spiele erneut die Frage aufkommen lassen, ob die Vergabe der Spiele an China richtig war. Ohne Zweifel barg sie Risiken: politische (ein autoritärer Staat, der sich im Umgang mit Andersdenkenden oft nicht zivil verhält), gesellschaftliche (wachsendes Protestpotenzial) und Risiken der Industrialisierung (Umweltverschmutzung).

Doch wie hätte man dem bevölkerungsreichsten Land der Erde mit seiner Sportbegeisterung die Spiele versagen können? Hat es sich doch in erstaunlich kurzer Zeit vom totalitären System der Mao-Ära zu einem pluralistischen, offeneren System, von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft gewandelt und sich zum berechenbaren kooperativen Partner in internationalen Angelegenheiten entwickelt. Zudem ist das Land finanziell und technologisch durchaus in der Lage, die Spiele auszurichten.

Gleichwohl scheinen der Westen und China von unterschiedlichen Olympiakonzepten auszugehen. Nach westlichem Verständnis sind die Spiele an Individuen und individuelle Freiheitsrechte gebunden. In China hingegen wird traditionell das Individuelle dem Staat und der Nation untergeordnet. In diesem Sinne werden Olympische Spiele eher als ein Ereignis begriffen, durch das der chinesische Staat der Welt seine Friedfertigkeit und seine organisatorischen Fähigkeiten demonstrieren soll. Ob man die Existenz unterschiedlicher Vorstellungen nun akzeptiert oder nicht: Sie existieren und die Welt muss sich damit auseinandersetzen.

Zugleich wäre es zu einseitig, die derzeitigen Probleme Chinas allein auf autoritäre Strukturen zurückzuführen. Sie sind auch Folge des raschen Wandlungsprozesses. Der Umbau zu Marktstrukturen unter Bedingungen fehlender rechtlicher Institutionen und ziviler Werte und Verhaltensweisen fördert Korruption und frühkapitalistische Tendenzen. Auch nach der Vergabe der Spiele war nicht zu erwarten, dass das Transformationsland China diese Fülle an Problemen so schnell lösen können würde.

Zudem haben die Warnungen von Interpol vor einem möglichen terroristischen Anschlag (wie am Montag in Kahgar), der Schock der Proteste in Tibet, die Attacken auf den Fackellauf und die Furcht vor unerwarteten Protestaktionen die Arbeit chinesischer Journalisten und den Spielraum von Regimekritikern weiter eingeschränkt. Es ist die gewaltige Furcht vor einem Anschlag oder gezielten, von außen organisierten Protestaktionen, durch die sich die Erklärung von amnesty international, die Menschenrechte hätten sich verschlechtert, verstehen lässt.

Nun war bei der Vergabe euphorisch erklärt worden, dass die Spiele auch in China Signalwirkung entfalten könnten, ähnlich wie in Südkorea, wo sie 1988 Mitauslöser des politischen Systemwandels waren - eine Illusion. Im kleinen Südkorea existierte eine Militärdiktatur, der eine bereits gut organisierte Gesellschaft gegenüberstand. Die USA wollten das autoritäre Regime nicht mehr unterstützen und übten Druck aus. In China hingegen steht die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Parteistaat. Durch die westlichen Proteste im Zusammenhang mit Tibet und dem Fackellauf sowie die effektive Organisierung der Hilfsmaßnahmen für die Erdbebengebiete hat sich dieser Schulterschluss verstärkt.

Zudem sind die USA weder in der Lage noch bereit dazu, Druck auszuüben. Sie sehen in China vielmehr einen "verantwortlichen Stakeholder", der an internationalen Entscheidungen aktiv partizipieren soll. Ein reibungsloser Verlauf der Spiele gepaart mit sportlichen Erfolgen wird zur weiteren Öffnung Chinas beitragen und seine internationale Kooperationsbereitschaft fördern. Zu einer Veränderung des politischen Systems werden sie wohl nicht beitragen.

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